21 Februar 2024

„Vielleicht findet man dann Solaranlagen in den Bergen gar nicht mehr hässlich“

Der Bau grosser Solaranlagen im hochalpinen Gebiet sorgt für viel Diskussionsstoff. Grosse Projekte im Wallis oder im Bündnerland sind am Widerstand der lokalen Bevölkerung gescheitert. Dem Kanton Bern wurde zumindest medial bisher attestiert, es besser zu machen, weil er gemächlicher vorgehe und mit runden Tischen möglichst viele Beteiligte miteinzubeziehen versuche. Trotzdem scheiterten zuletzt zwei grössere Solarprojekte im Berner Oberland. Radio BeO hat mit dem Berner Energiedirektor Christoph Amman über den aktuellen Stand des Solarausbaus in den Bergen gesprochen.

Radio BeO: Der Ausbau der Solarenergie im Kanton Bern musste zuletzt ein paar Rückschläge hinnehmen, beispielsweise in Hasliberg und Saanen. Ist der Berner Solarexpress zum Scheitern verurteilt?

Christoph Amman: Das kann man so nicht sagen. Es bleiben halt eher die Negativschlagzeilen im Gedächtnis. Da waren beiden Gemeindeversammlungen in Saanen und am Hasliberg, ja. Dem gegenüber stehen aber fünf positive Gemeindeversammlungsentscheide, in Oberwil, in Adelboden, im Lütschental, an der Lenk und auch in Schattenhalb, dort hat man den Projekten zugestimmt. Von daher gibt es zwar ein paar Wermutstropfen, aber von Scheitern kann im Moment keine Rede sein.

Ein häufiges Argument, dass gegen hochalpine Solaranlagen ins Feld geführt wird, ist, dass es doch sinnvoller wäre, statt der unberührten Berglandschaft erst die Dächer un die Infrastruktur im Mittelland zu verbauen. Macht dieses Argument nicht gerade auch im Hinblick auf den im Oberland wichtigen Tourismus, aber auch den Landschaftsschutz, Sinn?

Es macht eben beides Sinn und beides macht nur zusammen Sinn. Selbstverständlich müssen auch im Mittelland Solaranlagen gebaut werden, gerade auf Dächern und an Fassaden. Aber es braucht auch Anlagen im Berggebiet, an Standorten, die im Winter über der Nebelgrenze liegen und so Sonneneinstrahlung haben. Damit wird eben ein Beitrag an den Winterstrom geleistet und die Winterstromlücke verkleinert.

2022 hat Russland die Ukraine überfallen, die Stromversorgung wurde zum Dauerthema in den Schweizer Medien, Stichwort „Strommangellage“. Mittlerweile ist das Thema von den Titelseiten verschwunden. Bremst das die Berner Energiewende aus, weil das öffentliche Bewusstsein keine Dringlichkeit mehr spürt?

Das ist leider tatsächlich so. Das Thema ist aus den Schlagzeilen verschwunden, obschon das Problem nach wie vor da ist und in den nächsten Jahren wohl noch grösser wird. Wir werden unter Umständen relativ schnell wieder über eine Strommangellage sprechen müssen, beispielsweise dann, wenn die Gasspeicher in Europa im Sommer nicht gefüllt werden können, wenn ein Atomkraftwerk oder gar mehrere Atomkraftwerke in einem Nachbarland vom Netz genommen werden müssen, dann haben wir wieder die selbe Situation wie im Winter 2022/23.

Wenn man einen Blick in die Kristallkugel wagen will: Was kann man vom Berner Solarausbau in den nächsten Jahren erwarten? Nimmt dieser wieder Fahrt auf?

Schon jetzt geht es relativ schnell voran. Sie haben die Anlagen im Mittelland angesprochen: Im Moment werden viele Dächer und Fassaden quer durch den ganzen Kanton mit Solarpanels augestattet. Das wird auch so weitergehen, wie wir an den Gesuchen in den Förderprogrammen sehen. Ob wir aber die grossen Schritte machen können hängt auch beispielsweise davon ab, ob die Stimmbevölkerung im Sommer dem Mantelerlass des Bundes zustimmt und ob wir die Wasserkraftprojekte realisieren können. Auch die Wasserkraft gehört zum Strommix, alle Elemente, Wasser, Wind und Sonne, sind wichtig. Zum Blick in die Kristallkugel: Das ist nicht einfach. Vieles ist möglich und ich hoffe sehr, dass wir Wasserkraft, Solar- und Windenergie im Gleichschritt ausbauen können.

Im „BeO-Hörertreff“ zum Thema hochalpine Solaranlagen wurde mehrmals gefragt, „warum sollte man hier die Bergregionen zubauen, damit die Städte Strom haben?“. Was würden Sie darauf antworten?

Als erstes eine physikalische Antwort: Strom nimmt immer den kürzesten Weg, der möglich ist, also jener Strom, der in den Bergen produziert wird, wird auch dort gebraucht, wenn etwa jemand eine Lampe einschaltet oder eine Waschmaschine. Die Energie bleibt also in der Region. Und es ist eben auch so, dass wir alle unseren Beitrag leisten müssen, egal wo wir zuhause sind. Und zum Stichwort „Landschaft“: Das ist auch eine Frage des Sich-daran-gewöhnens. Es ist nicht so, dass einfach eine Landschaft „verschandelt“ wird, wenn man technische Bauten darin integriert. Das sieht man beispielsweise an der Grimsel, wo vor über hundert Jahren Staumauern hochgezogen hat. Das Grimselgebiet ist eine Region, die Touristinnen und Touristen anzieht, die als Bergwelt mit technischen Bauwerken gerne besucht wird. Bei Solaranlagen kann ich mir Ähnliches vorstellen, wenn man von weitem eine Solaranlage im Berggebiet sieht. Im ersten Moment ist man vielleicht überrascht, weil es ungewöhnlich ist, aber mit der Zeit gewöhnt man sich vielleicht daran und findet es nicht mehr hässlich.

Herzlichen Dank für das Interview

(text:csc/bild:zvg/kanton bern)