26 September 2025

Vergrössern Abschüsse in Rudeln das Konfliktpotential?

Der Wolf ist in der Schweiz, im Kanton Bern und im Berner Oberland ein politischer Dauerbrenner. In der Herbstsession sprach sich der Grosse Rat dafür aus, dass der Kanton seinen Spielraum voll ausnutzt. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) genehmigte diese Woche Wolfsabschüsse in 21 Rudeln in acht Kantonen.

Der Schweizer Tierschutz (STS) zeigt sich bestürzt über den Entscheid des Bundesamtes für Umwelt (BAFU). Das sei keine nachhaltige Lösung, berge erhebliche Gefahren für die Stabilität der Wolfsrudel und könnte gar die Konflikte mit Nutztierhaltenden verschlimmern.

Radio BeO hat mit Nicole Disler, Leiterin Fachbereich Nutztiere und Mitglied der Geschäftsleitung des STS gesprochen:

Radio BeO: Frau Disler, der Schweizer Tierschutz kritisiert die Entscheidung des BAFU Wolfsabschüsse in 21 Rudeln zu genehmigen. Das sei nicht nachhaltig – weshalb nicht?

Nicole Disler: Wir sind nicht grundsätzlich gegen Wolfsabschüsse. Wir sind aber der Meinung, dass wenn man Abschüsse genehmigt, dann müssen diese diejenigen Tiere treffen, wo bereits nachweislich mehrere Nutztiere gerissen haben. Wenn man jetzt aus 21 Rudeln einzelne Tiere oder gar ganze Rudel entnimmt, ist das keine gezielte Regulation und wird so leider auch nicht funktionieren, weil man so vor allem die Rudelstrukturen zerstört.

Inwiefern ist das zerstören der Rudelstruktur problematisch?

Wenn die Rudelstruktur zerstört wird, man im dümmsten Fall gar den Leitwolf schiesst, steigt die Gefahr, dass sich danach junge, unerfahrene Tiere ungewohntere Beute suchen, also beispielsweise Nutztiere. Mit dieser Unruhe ist niemandem geholfen, weder dem Wolf noch dem Menschen, weil, wenn die Zusammenarbeit innerhalb des Rudels gestört wird – wenn etwa der Leitwolf fehlt oder ein Tier, welches mit der Aufzucht der Jungen beauftragt ist – zerfällt die gesamte Aufgabenteilung innerhalb des Rudels. Dann entstehen Einzelkämpfer – der sprichwörtliche Lone Wolf – und diese verhalten sich dann oftmals problematisch.

Folglich wäre es besser, jeweils das ganze Rudel zu entnehmen…?

Auch das wird nicht funktionieren. Rund um die Schweiz gibt es auch Wölfe und da diese Lebensräume da sind, ist es nur eine Frage der Zeit, bis neue Tiere einwandern, dort wieder Rudel gründen. Diese sind dann zu Beginn wieder unerfahren und somit tendenziell gefährliche.

Abgesehen von der Nutztierthematik: Im Sommer hat sich ein Wolf bis in die Thuner Innenstadt vorgewagt – ist dem Menschen also sehr nahe gekommen. Werden ohne Regulation solche Vorfälle nicht häufiger?

Auch hier: Eher im Gegenteil, weil Wölfe nicht absichtlich die Nähe des Menschen suchen. Das ist nicht mit etwa Igeln oder Füchsen vergleichbar, welche sich im Siedlungsraum ein Zuhause gemacht haben. Dass ein Wolf in eine Stadt läuft, kann fast nur damit begründet werden, dass er aus seinem angestammten Lebensraum, dem Wald, der freien Natur, vertrieben worden ist.

(text:csc/bild:unsplash)