Unternehmer gesteht Mitschuld an tödlichem Strassenbau-Unfall
Vier Beschuldigte stehen seit Montagmorgen wegen fahrlässiger Tötung vor Bezirksgericht Appenzell. Sie sollen mitverantwortlich sein für einen Unfall, bei dem 2015 ein 27-Jähriger Strassenarbeiters tödlich verletzt wurde. Ein Beschuldigter gestand eine Mitschuld ein.
Die Verhandlung fand in der Aula Gringel in Appenzell statt und begann auf dem Vorplatz mit der Demonstration eines Wechselladekippers (Welaki).
Zum Unglück war es im November 2015 bei der Sanierung eines steilen Strassenstücks gekommen. Hangaufwärts sollte hierzu Teer aus der Thermomulde eines Welaki in eine Strassenfertigungsmaschine gekippt werden. Der Baustellen-Polier und sein 27-jähriger Mitarbeiter hatten sich in die Mulde des Strassenfertigers begeben, um den Handschieber der Thermomulde zu öffnen und den Teer herauszustochern.
Gleichzeitig fuhr der Chauffeur die Teleskoparme des Welaki etwas weiter aus, wodurch extreme Zugkräfte auf die Querbolzen der Thermokippmulde ausgeübt wurden. Diese gaben nach, die Mulde schwang in den Seilen hängend nach hinten aus. Dabei wurde der 27-jährige Mitarbeiter zwischen Thermomulde und Strassenfertigungsmaschine eingeklemmt und tödlich verletzt.
Der Chauffeur des Welaki war zum Unfallzeitpunkt bereits pensioniert und nur noch stundenweise als Aushilfsfahrer engagiert. Weil er den Teleskoparm ausgefahren hat, obwohl die Thermomulde bereits senkrecht in den Kipphaken stand, habe er laut Anklage den Unfall wesentlich mitverursacht. Der Staatsanwalt forderte eine bedingte Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 60 Franken.
Sein Verteidiger hingegen plädierte auf Freispruch, unter anderem weil das Ausfahren der Teleskoparme bei aufgestellter Mulde zwecks Aufstellen der Kipphaken zulässig sei. Zum Unfall sei es nur gekommen, weil die Mulde nicht betriebssicher war. Dies könne dem Chauffeur aber nicht angelastet werden. „Der Betriebsleiter hat mir gesagt, der Lastwagen sei komplett abfahrbereit, darauf habe ich mich verlassen“, sagte der Chauffeur vor Gericht.
Vor Gericht unbestritten war der schlechte Zustand der Thermokippmulde, deren Querbolzen stark durchgerostet und beschädigt waren. Die Staatsanwaltschaft verlangte für den Transportunternehmer eine bedingte Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 380 Franken. Sein Verteidiger bestritt zwar den Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung nicht, plädierte allerdings auf eine Strafmilderung aufgrund der rund sechsjährigen Verfahrensdauer.
Die Genugtuungsforderungen der Witwe und der beiden Söhne des Verstorbenen von insgesamt 100’000 Franken wurden vom Verteidiger des Unternehmers ebenso wenig bestritten. Die Begehren der Eltern und der Geschwister des Verstorbenen seien hingegen zu wenig begründet.
Vor Gericht standen ausserdem der Polier, der sich zum Unfallzeitpunkt mit dem Unfallopfer in der Mulde der Strassenfertigungsmaschine befand, sowie der Maschinist des Strassenbaugeräts.
Für sie forderte die Staatsanwaltschaft bedingte Geldstrafen von 100 Tagessätzen à 330 Franken respektive von 60 Tagessätzen à 220 Franken. Sie hätten es insbesondere unterlassen zu verhindern, dass sich Personen in der Mulde des Strassenfertigers und damit im Gefahrenbereich aufhielten, während die Welaki-Teleskoparme bewegt wurden.
Die Verteidigung plädierte auf Freisprüche. Die beiden Beschuldigten hätte nicht mit dem schlechten Zustand der Thermomulde rechnen müssen. Die Verteidigerin des Poliers warnte davor, die Definition des Gefahrenbereichs im Nachhinein künstlich und durch die Brille des Bürolisten auszuweiten. Die Handklappe könne nur geöffnet werden, wenn man sich direkt hinter die Mulde begebe.
(text:sda/bild:unsplash-symbolbild)