23 Oktober 2022

Ukrainische Energie-Infrastruktur im Fokus russischer Angriffe

Das russische Militär macht die lebenswichtige Infrastruktur in der Ukraine immer mehr zum Hauptziel seiner Angriffe und bringt so zunehmend die gesamte Bevölkerung in Not. Trotz der massiven Raketenangriffe gegen Energieanlagen sieht der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Truppen seines Landes in den von Moskau besetzten Gebieten aber weiter auf dem Vormarsch. Kein Schlag der „russischen Terroristen“ könne das Land stoppen, sagte Selenskyj am Wochenende in einer Videobotschaft. Russland versuche, mit den Angriffen auf die Infrastruktur militärische Erfolge vorzutäuschen. Selenskyj warnte angesichts der Angriffe aber vor einer humanitären Katastrophe.

Der ukrainische Energieversorger beklagte angesichts der Angriffe schwere Schäden an den Hauptnetzen im Westen des Landes. Die Folgen seien sogar noch schlimmer als bei den russischen Angriffen zwischen dem 10. und 12. Oktober, teilte Ukrenerho am Samstag mit. Angesichts der Zerstörungen vor dem kommenden Winter warnte Ministerpräsident Denys Schmyhal vor einer Flüchtlingskrise. „Wenn es in der Ukraine keinen Strom, keine Heizung, kein Wasser mehr gibt, kann das einen neuen Migrationstsunami auslösen“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Am Samstag gab es nach ukrainischen Angaben 40 Raketenangriffe, zudem habe die russische Seite 16 Drohnen geschickt. 20 Raketen und 11 Kampfdrohnen seien abgeschossen worden, hiess es in Kiew. Der Krieg in der Ukraine dauert bereits seit mehr als 240 Tagen an.

„Der einzige Weg, eine humanitäre Katastrophe zu stoppen, ist die schnelle Lieferung von Flugabwehrsystemen und zusätzlichen Raketen“, sagte Selenskyjs Berater Mychajlo Podoljak. Angesichts der schweren Schäden an der Energie-Infrastruktur forderte Selenskyj die Bevölkerung erneut zum Stromsparen auf.

Die ukrainischen Streitkräfte setzten ihre Offensive zur Befreiung der von Russland besetzten Gebiete fort. Nach Darstellung Selenskyjs kommt die Armee voran. Besonders gespannt ist die Lage in der südlichen Region Cherson, wo es aus ukrainischer Sicht immer mehr Erfolge gibt. Russland hatte eingeräumt, dass die Lage für seine Truppen dort schwierig sei.

Russland hat angesichts des Vormarschs Kiewer Truppen mehr als 20 000 Zivilisten aus der Stadt Cherson geschickt. „Wir haben allen Leuten, die uns heute gehört haben, vorgeschlagen, die Möglichkeit zu nutzen und in den linksufrigen Teil des Gebiets Cherson zu gehen“, sagte Kirill Stremoussow, der Vizechef der russischen Besatzungsverwaltung, am Sonntag in einem Radiointerview.

Die Stadt Cherson liegt am rechten Ufer des Dnipro und war von Russland gleich zu Beginn des Angriffskriegs erobert worden. Die ukrainischen Truppen haben systematisch die Nachschubwege der Russen über den Dnipro zerstört und rücken bei ihrer Gegenoffensive auf die Stadt vor.

Nach Einschätzung britischer Geheimdienste bereitet Russland mit grossem Aufwand die Verteidigung seiner besetzten Gebiete vor. Die berüchtigte russische Söldnereinheit „Wagner“ wolle etwa eine Verteidungslinie in der besetzten Region Luhansk aufbauen, hiess es am Sonntag im Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums auf Twitter.

(text:sda/bild:pexels)