8 November 2023

Stadt Bern will keine Grossdemos mehr bis Weihnachten

Die Stadt Bern bewilligt in der Innenstadt vorerst keine Grosskundgebungen und Umzüge mehr. Die Regelung gilt vom 17. November bis Weihnachten, wie die Stadtregierung am Mittwoch mitteilte.

Kleinere Kundgebungen, beispielsweise Mahnwachen, könnten im Zentrum von Bern nach wie vor bewilligt werden. Auch auf dem restlichen Stadtgebiet seien Demonstrationen möglich.

Sicherheitsdirektor Reto Nause (Mitte) verteidigte den Entscheid im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Die Stadt habe in den letzten Wochen drei Palästina-Kundgebungen bewilligt, die in einer speziellen emotionalen Atmosphäre stattgefunden hätten und von einem grossen Polizeiaufgebot begleitet worden seien.

Zudem habe es zwei Mahnwachen zugunsten von Israel gegeben. „Jetzt ist mal gut“, sagte Nause.

Die Stadt Bern habe der Meinungsäusserungsfreiheit einstweilen Genüge getan. In der Bundesverfassung stehe nirgends geschrieben, dass es ein Recht gebe, im Wochenrhythmus zum gleichen Thema mit den gleichen Forderungen auf die Strasse zu gehen. Gesuche für weitere Nahost-Kundgebungen sind laut Nause keine hängig.

In den nächsten Wochen gebe es in Bern zahlreiche Veranstaltungen und Anlässe, sagte Nause weiter – von den Weihnachtsmärkten über den Staatsbesuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron bis zum Zibelemärit und dem Champions-League-Spiel der Young Boys gegen Roter Stern Belgrad.

Wer die Meinungsäusserungsfreiheit stets höher gewichte, dem halte er eine Frage entgegen: „Müssen wir den Staatsbesuch und den YB-Match absagen, um die Meinungsfreiheit möglich zu machen? Auch andere Interessen haben ihre Legitimation, nicht nur Kundgebungen.“

Zuvor hatte der kantonale Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP) zum Verzicht auf Palästina-Kundgebungen aufgerufen. Die Wahrscheinlichkeit von Gewalt bei einer nächsten Kundgebung sei gross, sagte er in einem Interview mit den Tamedia-Zeitungen.

„Wenn Manifestierende sich gegen die Schweiz wenden, Polizisten anspucken und auf Kommando den Stinkefinger gegen das Bundeshaus erheben, wird das Gastrecht definitiv missbraucht“, sagte Müller. „Daher rufe ich dazu auf, von weiteren solchen Kundgebungen abzusehen.“ Die Bewilligungsbehörde sei aber die Stadt Bern und nicht der Kanton.

Bis zu 10’000 Menschen hatten sich am vergangenen Samstag auf dem Bundesplatz mit den Palästinensern solidarisiert. Die Stimmung war laut und teilweise aufgeheizt, aber nicht gewalttätig. Die Polizei hielt sich mit einem grösseren Aufgebot im Hintergrund.

Am Wahl-Wochenende des 21./22. Oktober hatten die Städte Bern, Zürich und Basel keine Nahost-Demos zugelassen. Sie begründeten dies mit der Sorge vor Personen- und Sachschäden. Der Entscheid war von Staatsrechtlern kritisiert worden: Es brauche mehr als Hinweise auf die angespannte Lage, um Demos nicht zu bewilligen.

(text:sda/bild:csc)