18 August 2021

Sozialpreis für den Verein XENIA, Fachstelle für Sexarbeit

Am 18. August 2021 hat die Bürgi-Willert-Stiftung den Sozialpreis an den Verein XENIA, Fachstelle für Sexarbeit verliehen. Sie anerkennt damit die langjährige Arbeit des Vereins für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter*innen im Kanton Bern.

«Das Stigma der Sexarbeit beeinflusst die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, in denen Sexarbeiter*innen ihren Lebensunterhalt verdienen, und trägt zur Prekarisierung bei» sagt Christa Ammann, Stellenleiterin von XENIA, Fachstelle für Sexarbeit im Kanton Bern. Die Corona-Krise hat im letzten Jahr die Situation noch deutlicher gemacht und Versorgungslücken im staatlichen Auffangnetz aufgezeigt: viel Arbeiter*innen hatten keinen Anspruch auf Erwerbsersatz und aufgrund des Stigmas oder aus Angst vor ausländerrechtlichen Konsequenzen haben sie ihr Recht auf Sozialhilfe nicht wahrnehmen können.
Bei den Beratungen erlebte XENIA im Jahr 2020 eine Zunahme von 50% im Vergleich zum Vorjahr, wobei die meisten Kontakte in die Zeit des ersten Lockdowns gefallen sind. Neben den Beratungen hat XENIA dank Spenden auch Lebensmittelhilfe und finanzielle Soforthilfe für jene Sexarbeiter*innen geleistet, die durch sämtliche Maschen gefallen sind.

Als der Verein 1984 die Arbeit aufgenommen hat, war es noch üblich, von «Prostitution» zu sprechen. Heute wird erfreulicherweise von Fachpersonen, Politik und Medien immer mehr der Begriff der «Sexarbeit» genutzt, der zum Ausdruck bringt, dass es sich um eine Arbeit handelt und nicht um die Identität der Personen, die im Sexgewerbe tätig sind.

Obwohl sich der Diskurs zum Teil verändert hat, haben viele Sexarbeiter*innen immer noch prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse, können nicht angstfrei über ihre Erwerbsarbeit sprechen und sich auch nicht darauf verlassen, keine Diskriminierung aufgrund ihrer Tätigkeit zu erfahren. Deshalb haben spezialisierte Angebote, wie das Beratungsangebot und das Angebot der aufsuchenden Arbeit und Gesundheitsprävention von XENIA nicht an Bedeutung verloren.

Die Verleihung des Sozialpreises der Bürgi-Willert-Stiftung ist Wertschätzung und Anerkennung der Arbeit des Vereins für eine Personengruppe, die aufgrund ihrer Tätigkeit gesellschaftlich wenig Anerkennung und viele Vorurteile erfährt. Der mit 50’000 Franken dotierte Preis hilft, die trotz staatlichem Auftrag bestehenden Lücken zu schliessen: Durch die erhöhte Mobilität der Arbeiter*innen sind die Beratungskontakte oftmals kürzer und unregelmässig. Vor diesem Hintergrund baut XENIA das online-Beratungsangebot und auch die aufsuchende Beratung aus, um auf die verschiedenen Lebensrealitäten eingehen zu können und das Angebot durch Vielfalt für möglichst viele Sexarbeiter*innen niederschwellig gestalten zu können. Auch ist es im Moment schwierig abzuschätzen, wie sich die Covid-Krise entwickeln wird und ob erneut Soforthilfe für Sexarbeiter*innen, die durch das Auffangnetz des Sozialstaates fallen, notwendig sein wird.

(text:pd/bild:unsplash)