6 Juni 2022

Ukraine: Selenskyj besucht Frontgebiet

Das Verteidigungsministerium in Kiew hat nach den ersten Raketenangriffen auf die ukrainische Hauptstadt seit Ende April vor der Gefahr neuer Attacken gewarnt. „Wir haben immer offen gesagt, dass Kiew ständig der Bedrohung ausgesetzt ist“, sagte Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar am Sonntag im Fernsehen. Auch wenn viele Menschen inzwischen zurückkehrten: „Wir sollten trotzdem begreifen, dass der Krieg in einer heissen Phase ist und Kiew als Hauptziel der Russischen Föderation erhalten bleibt.“ In der Nacht zum Montag gab es erneut Luftalarm in Kiew. Am Sonntag hatte der ukrainische Generalstab von mehreren Raketeneinschlägen in Kiew berichtet. Laut Bürgermeister Vitali Klitschko wurde ein Mensch verletzt.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte in einer am Abend veröffentlichten Video-Ansprache: „Der Krieg Russlands gegen die Ukraine muss so schnell wie möglich beendet werden.“ Er äusserte sich nicht dazu, wie das geschehen soll. Russland beklagt, dass die Ukraine die Verhandlungen über ein Ende der Kampfhandlungen auf Eis gelegt habe. Die Ukraine kämpft seit mehr als 100 Tagen gegen die russische Invasion. Die Vereinten Nationen haben bisher mehr als 4100 getötete Zivilisten registriert, gehen aber von weitaus höheren zivilen Opferzahlen aus.

Bei einem Besuch in der umkämpften Region Saporischschja informierte sich Selenskyj am Sonntag über die militärische Lage. Knapp 60 Prozent der südostukrainischen Region seien seit dem russischen Einmarsch am 24. Februar inzwischen von Moskaus Truppen besetzt worden, sagte der Militärgouverneur des Gebiets, Olexander Staruch, bei dem Gespräch mit dem Präsidenten in der Grossstadt Saporischschja. „Viele Menschen treffen aus Orten ein, die zeitweise vom Feind besetzt sind“, schilderte Selenskyj. Die Flüchtlinge bräuchten Wohnungen und Arbeit.

Nach Saporischschja waren auch besonders viele Menschen aus der umkämpften Ostukraine geflüchtet, darunter aus dem Gebiet Donezk. Dort liegt auch die Hafenstadt Mariupol, in der prorussische Separatisten mit Hilfe von Moskaus Truppen im Mai die Kontrolle übernommen hatten. Die Kämpfe im Donbass dauern an. Ein Schwerpunkt ist das Verwaltungszentrum Sjewjerodonezk im Gebiet Luhansk, wo ukrainische Truppen nach Behördenangaben erfolgreich Widerstand leisten gegen russische Einheiten.

In einem in der Nacht veröffentlichten Video sagte Selenskyj, dass er zusammen mit seinem Bürochef Andrij Jermak eine Rundreise in den umkämpften Gebieten Donezk und Luhansk gemacht und dabei die Frontstädte Lyssytschansk und Soledar besucht habe. Lyssytschansk liegt am Fluss gegenüber von Sjewjerodonezk. Selenskyj hatte zuletzt immer wieder schwere Waffen vom Westen gefordert, um nicht nur den russischen Vormarsch aufzuhalten, sondern auch besetzte Gebiete zurückzuerobern.

(text:sda/bild:sda)