10 Januar 2023

Russen setzen ukrainische Truppen im Osten unter Druck

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj beschrieb die Lage rund um die umkämpfte Stadt Soledar bei Bachmut im Gebiet Donezk als sehr angespannt. Der britische Geheimdienst meldete am Dienstag Fortschritte russischer Kräfte in der Region. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen unterstützt die Lieferung von Leopard-2-Panzern an die Ukraine.

Rund zehneinhalb Monate nach dem russischen Angriff auf die Ukraine sind die Kämpfe in Donezk derzeit besonders heftig. Die Städte Soledar und Bachmut sind dabei von strategischer Bedeutung: Sie sind Teil des ukrainischen Verteidigungswalls vor dem Ballungsraum zwischen Slowjansk und Kramatorsk. Die Einnahme des Gebiets wäre aus russischer Sicht ein bedeutender Schritt hin zur Eroberung des gesamten Donbass – eines der Kriegsziele des Kremls.

Im täglichen britischen Geheimdienst-Briefing hiess es, reguläre russische Truppen und Einheiten der Söldnergruppe Wagner hätten in den vergangenen vier Tagen taktische Vorstösse in Richtung Soledar gemacht und kontrollierten wahrscheinlich den grössten Teil des Orts. Dort lebten vor dem Krieg rund 10 000 Menschen, von denen die meisten aber geflohen sein sollen. Bachmut ist viel grösser mit einst 71 000 Einwohnern. Ende die Dezember zählte die Stadt noch 8700 Menschen.

Bachmut bleibe das vorrangige Ziel der russischen Offensive, hiess es in der britischen Analyse. Trotz des erhöhten Drucks sei es unwahrscheinlich, dass Russland Bachmut bald einnehme. Die ukrainischen Streitkräfte hätten stabile Verteidigungsstellungen aufgebaut und Kontrolle über die Versorgungswege.

Präsident Selenskyj hatte die Lage bei Soledar in seiner nächtlichen Videoansprache als sehr schwierig bezeichnet. Doch betonte Selenskyj den Widerstand der ukrainischen Soldaten. Dieser verschaffe der ukrainischen Armee Zeit.

„Die Schlacht um den Donbass dauert an.“ Seine Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar erklärte auf Telegram, Russland habe erfolglos versucht, Soledar einzunehmen. Nun habe „der Feind sich umgruppiert, seine Taktik geändert und einen neuen, heftigen Angriff gestartet“.

Die deutsche Regierung hatte sich nach Rücksprache mit den USA vergangene Woche nach langem Zögern entschlossen, Schützenpanzer vom Typ Marder an die Ukraine zu liefern. Sie bemüht sich nun um eine schnelle Überlassung von 40 Exemplaren des Waffensystems.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht sprach nach Angaben aus Athen am Dienstag mit ihrem griechischen Amtskollegen Nikolaos Panagiotopoulos, dem im Rahmen eines sogenannten Ringtausches 40 Marder aus deutschen Industriebeständen zugesagt worden sind.

Zugleich läuft in der Ampel-Koalition eine Debatte darüber, nun auch Kampfpanzer vom Typ Leopard abzugeben. In Brüssel unterstützte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen die Linie von Ländern, die Leopard-2-Lieferungen erwägen: „Ich denke, die Ukraine sollte die militärische Ausrüstung bekommen, die sie braucht und benutzen kann, um ihre Heimat zu verteidigen“, sagte sie. Dies umfasse moderne Flugabwehrsysteme und andere moderne militärische Ausrüstung.

Länder wie Spanien oder Polen könnten ihre Exemplare des Panzers aber nicht ohne Genehmigung des Herstellerlandes Deutschland an die Ukraine abgeben. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg kündigte Gespräche auf dem US-Militärstützpunkt Ramstein über weitere Waffen, Munition und Ersatzteile für die Ukraine an. Nach US-Angaben soll das Treffen am 20. Januar stattfinden.

Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und der Machtpolitik Chinas vereinbarten die Nato und die EU in einer Erklärung eine engere Zusammenarbeit, vor allem zum Schutz kritischer Infrastruktur wie Energie- und Wasserversorgung. Von der Leyen kündigte auch neue Sanktionen gegen Belarus an, das Russland im Ukraine-Krieg unterstützt.

In Russland sprach Verteidigungsminister Sergej Schoigu von anstehenden Verbesserungen von Kampfdrohnen und -jets. Zudem sollen die für die Einberufung von Reservisten zuständigen Kreiswehrersatzämter modernisiert werden. So sollten etwa Datenbanken aktualisiert sowie die Zusammenarbeit lokaler und regionaler Behörden verbessert werden.

In der russischen Bevölkerung kursieren seit Wochen Gerüchte, die politische Führung bereite eine zweite Mobilisierungswelle vor. Davon geht auch der ukrainische Geheimdienst aus. Der Kreml dementiert.

Um mehr Soldaten an die Front in der Ukraine zu schicken zu können, hatte Präsident Wladimir Putin im Herbst rund 300 000 Reservisten einziehen lassen. Vielerorts wurden damals chaotische Zustände bei der Rekrutierung geschildert.

Aus Moskau wurde zudem eine Personalie gemeldet: Der nach einigen Niederlagen im Ukraine-Krieg kritisierte russische General Alexander Lapin wurde zum Generalstabschef der Heerestruppen ernannt, wie die Nachrichtenagentur RBK berichtete.

Lapin kommandierte bis zum Oktober die Heeresgruppe „Zentrum“ der russischen Truppen in der Ukraine, wurde dann aber nach teils heftiger Kritik aus der Heimat abgelöst.

(text:sda/bild:unsplash-symbolbild)