13 Januar 2023

Regierungsrat begrüsst Optimierungen im Krisenmanagement, lehnt aber zentrale Elemente der vorgeschlagenen Verfassungsrevision ab

Das Büro des Grossen Rates führt noch bis am 22. Februar 2023 die Vernehmlassung zur Teilrevision der Kantonsverfassung und der Grossratsgesetzgebung «Stärkung von Demokratie und Rechtsstaat» durch. Der Regierungsrat kann das Anliegen des Büros des Grossen Rates gut nachvollziehen, in Krisensituationen stärker mitwirken zu können. Auf der anderen Seite trifft für ihn die dem Geschäft zugrundeliegende These nicht zu, wonach das bernische Parlament seine Aufgaben in einer Krise nicht im gewünschten Mass wahrnehmen kann.

Der Regierungsrat stellt aufgrund der gemachten Erfahrungen während der Covid-19-Pandemie nicht in Frage, dass gewisse Verbesserungen möglich und wünschenswert sind. So begrüsst er grundsätzlich die Einführung von dringlichen Gesetzen, weil dadurch die gesetzgeberische Handlungsfähigkeit des Kantons in Krisensituationen gestärkt wird.

Einer verkürzten Antwortfrist bei Vorstössen, die in direktem Zusammenhang mit der ausserordentlichen Lage oder einer Krise stehen, steht der Regierungsrat grundsätzlich kritisch gegenüber. Er verschliesst sich jedoch dem Vorschlag nicht, die Antwortfristen bei Motionen des Büros und der Kommissionen zu kürzen. Damit kann erreicht werden, dass sich der Grosse Rat auch in einer Krise mit ihren beschleunigten Prozessen rechtzeitig in den politischen Entscheidungsprozess einbringen und der Regierungsrat zu den Vorstössen mit angemessener Frist Stellung nehmen kann.

Schliesslich zeigt sich die Regierung auch offen gegenüber einer rascheren Genehmigung von regierungsrätlichen Notverordnungen durch den Grossen Rat. Damit können die Rechtssicherheit und Legitimität in einer ausserordentlichen Lage erhöht werden.

Handlungsfähigkeit und Vertrauen nicht aufs Spiel setzen

Bei anderen Änderungsvorschlägen hingegen erkennt der Regierungsrat keinen Mehrwert zum geltenden Recht. So lehnt er die parallele Kompetenz des Grossen Rates, Notverordnungen zu erlassen, entschieden ab. Mit einer solchen besteht die Gefahr, dass sich die bernische Legislative und Exekutive in einer Krise wegen Kompetenzkonflikten gegenseitig blockieren. Dies würde die Handlungsfähigkeit des Kantons in Krisenzeiten gefährden. Ausserdem gilt es zu verhindern, dass sich zwei Kantonsbe­hörden aufgrund eines Kompetenzkonflikts in einer Krisensituation auseinanderdividieren. Dadurch würde das in einer Krise entscheidende Vertrauen der Bevölkerung in den Staat empfindlich geschwächt.

Auch die vorgängige Konsultation der zuständigen Ratsorgane zu Verordnungen und Ausgabenbeschlüssen ist aufgrund der Dringlichkeit in einer Krise nicht praktikabel. Dies zeigen insbesondere die Erfahrungen während der Covid-19-Pandemie, in welcher der Regierungsrat laufend und innert kürzester Fristen zahlreiche Ausgabenbeschlüsse fällen musste, um die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen zu bekämpfen.

Grosser Rat wird Covid-Erfahrungen in der Frühlingssession 2023 diskutieren

Die Notwendigkeit, nebst der Exekutiv- auch die Legislativgewalt mit operativen Notrechtskompetenzen auszustatten, besteht nach Ansicht des Regierungsrates nicht. Die Exekutive im Kanton Bern ist – anders als im Bund – durch das Volk gewählt, weshalb die Frage der genügenden politischen Legitimation von vornherein differenzierter zu beurteilen ist. Das Parlament ist im Gegensatz zum Regierungsrat kein ständiges Organ, bestehend aus hauptamtlichen Behördenmitgliedern, sondern ein Milizgremium, das im Normalfall viermal jährlich anlässlich seiner Sessionen zusammenkommt. Verordnungen sind vor diesem Hintergrund – auch zu Krisenzeiten – nicht ohne guten Grund das klassische Rechtsetzungsinstrument der Exekutiven und nicht der Legislativen.

Das Plenum des Grossen Rates wird sich in der Frühlingssession 2023 und gestützt auf die Ergebnisse der externen Evaluation des Krisenmanagements in der Covid-19-Pandemie zu möglichen Optimierungen von Instrumenten und Prozessen äussern können.

(text:pd/bild:beo)