28 Mai 2023

Politischer Geschlechtergraben vergrössert sich seit 1990

Junge Frauen positionieren sich selber seit 1990 zunehmend politisch links. Junge Männer hingegen verorten sich selber stärker rechts der Mitte. Das hat eine Studie des Forschungsinstituts Sotomo im Auftrag der „NZZ am Sonntag“ ergeben.

Ausgewertet wurden dazu sämtliche Abstimmungsanalysen seit 1990. Die Befragten mussten angeben, wo sie sich auf einer Skala von 0 (ganz links) bis 10 (ganz rechts) verorten. 2010 bezeichneten sich 35 Prozent der Frauen zwischen 18 und 29 Jahren als links. Inzwischen sind es 52 Prozent. Von den gleichaltrigen Männern fühlt sich nur jeder Dritte links. Dafür hat der Anteil jener junger Männer, die sich rechts positionieren, seit 2010 von 29 auf 43 Prozent zugenommen.

Laut „NZZ am Sonntag“ liegt ein Grund für das Auseinanderdriften der Geschlechter in der neuen Frauenbewegung, etwa in der me-too-Bewegung und dem Frauenstreik in der Schweiz.

Einen Geschlechtergraben gibt es aber nicht nur bei den Jungen, sondern auch bei den Älteren. Die durchschnittliche Differenz zwischen dem Ja-Stimmen-Anteil von Männern und Frauen bei eidgenössischen Abstimmungen hat sich seit 2015 vergrössert.

In den letzten drei Jahren häuften sich laut der Sotomo-Auswertung die Abstimmungen, bei denen die Mehrheit der Männer etwas anderes wollte als die Mehrheit der Frauen. Bei drei von neun Abstimmungen setzten sich seit 2020 die Frauen durch, bei deren sechs die Männer.

Zudem hat die Gender-Debatte eine zusätzliche Dynamik gewonnen. Bekanntestes Beispiel dafür ist die Abstimmung über die Erhöhung des Frauenrentenalters: 64 Prozent der Männer stimmten der Vorlage zu, aber nur 38 Prozent der Frauen.

Zur Konzernverantwortungsinitiative sagten 57 Prozent der Frauen Ja und nur 43 Prozent der Männer. Die Mehrheit stimmte hier zwar wie die Frauen, aber wegen des fehlenden Ständemehrs wurde sie dennoch abgelehnt. Beim Freihandelsabkommen mit Indonesien stimmten 60 Prozent der Männer – und nur 43 Prozent der Frauen – Ja.

Von 1980 bis 2010 schwankte die durchschnittliche Differenz zwischen dem Ja-Stimmenanteil der Männer und jenem der Frauen zwischen 5 und 7 Prozentpunkten, wie Sotomo festgestellt hat. Nachdem die Differenz Anfang der 2010er Jahre abgenommen hatte, habe sich sich der Geschlechtergraben seit 2015 deutlich vergrössert.

(text&bild:sda)