4 September 2022

Neue Steuer und alte Kompromisse im Kampf gegen Strommangel

Steigende Strompreise und ein allenfalls im Winter drohender Strommangel haben über das Wochenende bei den Parteien teils neue Ideen hervorgebracht: So forderte etwa die SP eine grundsätzliche Neuordnung des Strommarktes, die bürgerliche Seite kritisierte dies als „Sozi-Umverteilungskampagne“.

Die SP will einen Dreistufenplan vorschlagen, wie SP-Fraktionschef Roger Nordmann am Sonntag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA bestätigte. Über die Vorschläge berichtete zuerst die „SonntagsZeitung“.

Für das kommende Jahr will die Partei einen Abfederungsfonds schaffen, um stromintensive Betriebe zu entlasten. Dazu sollen mit einer sogenannten Übergewinnsteuer ausserordentliche Gewinne der Strombranche abgeschöpft werden.

Ab 2024 soll es dann einen nationalen Strombeschaffungspool für energieintensive Betriebe geben. Dort müssten die Stromproduzenten einen Teil ihres Stroms, der nicht für die Grundversorgung bestimmt ist, einspeisen – und ihn zum Gestehungspreis anbieten. Es würde also eine Art Grundversorgung für Unternehmen geschaffen, die viel Strom benötigen.

Als drittes Element sollte laut Nordmann die spekulative Beschaffung von Strom durch die Verteilnetzbetreiber „streng limitiert“ werden. Stattdessen müssten diese Strom mit langfristigen Verträgen einkaufen – zu Preisen, die es den Produzenten erlaubten, ihre Anlagen zu amortisieren und nötige Investitionen zu tätigen.

Zur Verteilung der Lasten angesichts der drohenden Stromkrise äusserte sich auch Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy. Vor der allfälligen Abschöpfung ausserordentlicher Gewinne müssten zuerst die Verluste angerechnet werden, welche die Stromproduzenten in der Vergangenheit gemacht hätten, als Strom aus dem Ausland noch billig war, schrieb der Walliser Nationalrat auf Twitter.

Mit den Ideen der SP ging Bregy hart ins Gericht. Es sei Irrsinn, was nun alles behauptet werde, twitterte er am Sonntag. Zur Umsetzung der SP-Forderungen müsste man den Handel komplett ausschalten. Ein Zuviel an Strom im Sommer könnte nicht verkauft, ein Zuwenig im Winter nicht zugekauft werden. Der Strommarkt sei komplexer, als ihn die SP darstelle.

Der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen kritisierte die Forderung nach einer sogenannten Windfall Tax. Niemand wisse, was ein Übergewinn sei, schrieb er auf Twitter. Zudem gehörten die Stromfirmen Kantonen und Gemeinden. Wasserfallen sprach von einer „Sozi-Umverteilungskampagne“.

Grünen-Präsident Balthasar Glättli sorgte sich derweil um ausgehandelte Kompromisse. Der 50-Jährige sprach in der in der „Samstagsrundschau“ von Schweizer Radio SRF das Thema Restwasser an, das Wasserkraftwerke ungenutzt in die Bäche und Flüsse durchlassen müssen.

Um mehr Strom produzieren zu können, wolle die bürgerliche Seite nun überspitzt gesagt Flüsse trockenlegen. Damit werde die Biodiversität gefährdet, es würden Lebensräume zerstört, sagte er.

Die Grünen würden Ausbauprojekte für Solar- oder Wasserkraft nicht blockieren, wies Glättli von SVP und FDP oft geäusserte Kritik zurück. Die Grünen-Fraktion stehe beispielsweise hinter der gemeinsamen Erklärung des von Bundesrätin Simonetta Sommaruga lancierten Runden Tisches, der den Bau oder Ausbau von 15 Wasserkraftwerken befürwortet.

Der Kompromiss enthalte aber diverse Elemente, sagte Glättli. Einerseits den Energieausbau und andererseits die Rücksichtnahme auf Landschafts- und Naturschutz. Es gehe nicht an, dass angesichts der Krise gewisse Auflagen „einfach geschleift“ und „einseitige Lösungen durchgedrückt“ würden.

(text:sda/bild:unsplash-symbolbild)