16 März 2022

Nationalrat sagt ein zweites Mal Ja zum Stimmrechtsalter 16

Das aktive Stimm- und Wahlrechtsalter 16 ist einen Schritt näher gerückt. Der Nationalrat hat es am Mittwoch mit 99 zu 90 Stimmen bei drei Enthaltungen abgelehnt, eine entsprechende parlamentarische Initiative abzuschreiben. Nun wird ein konkreter Vorschlag für eine Verfassungsänderung ausgearbeitet. Zuständig dafür ist die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK-N) – also jenes Gremium, das die Abschreibung der Initiative von Sibel Arslan (Grüne/BS) beantragt hatte. Der entsprechende Entscheid war im November 2021 allerdings äusserst knapp gefallen- mit 12 zu 12 Stimmen bei einer Enthaltung mit dem Stichentscheid von Kommissionspräsident Andreas Glarner (SVP/AG). Mit seinem Entscheid am Mittwoch bestätigte der Nationalrat einen früheren Beschluss: Bereits in der Herbstsession 2020 hatte der Nationalrat die parlamentarische Initiative gutgeheissen. In der Folge erklärte sich auch die Staatspolitische Kommission des Ständerats (SPK-S) einverstanden. Vielen Jungen gehe es angesichts der Krisen der Gegenwart nicht gut, sagte Arslan in der Debatte. In dieser Situation werde die Frage der politischen Beteiligung noch wichtiger. 16- und 17-Jährige seien sehr interessiert an der Politik und die hätten zum Abstimmen und Wählen nötige politische Bildung. Arslan verwies namentlich auf die hohe Zahl junger Menschen an Demonstrationen gegen den Ukraine-Krieg. Es sei problematisch, wenn jemand zwar abstimmen und wählen, aber keinen Vertrag unterschreiben könne, sagte Jean-Luc Addor (SVP/VS) dagegen namens der ablehnenden Hälfte der Kommission. Kurt Fluri (FDP/SO) doppelte nach, künftig könnten Personen über Initiativen abstimmen, die diese nicht unterzeichnen dürften. Dies sei nicht sinnvoll.

Die Gegnerinnen und Gegner einer Neuregelung argumentierten zudem insbesondere mit dem Trend in den Kantonen: In den letzten Jahren wurde in mehreren Kantonen über das Stimmrechtsalter 16 auf kommunaler und kantonaler Ebene entschieden. Fast überall resultierte ein Nein. Bis heute dürfen 16- und 17-Jährige nur im Kanton Glarus abstimmen und wählen. Es sei nicht stimmig, einerseits das Mindestalter für den Kauf von Zigaretten von 16 auf 18 zu erhöhen, und andererseits das Stimmrechtsalter zu senken, sagte Andri Silberschmidt (ZH) namens der FDP-Fraktion. Dies sei den Leuten nicht zu vermitteln. Die Möglichkeit, sich zu engagieren, hänge zudem nicht vom Stimm- und Wahlrecht ab. Nebst der Mehrheit der Freisinnigen war auch die SVP-Fraktion für die Abschreibung. Jugendliche hätten oft noch keine gefestigten politischen Ansichten, gab Piero Marchesi (SVP/TI) zu bedenken. Gespalten war die Mitte-Fraktion. Für einen Teil sei der Einbezug junger Menschen entscheidend, sagte Marianne Binder-Keller (Mitte/AG). Der andere Teil lehne das Stimmrechtsalter 16 ab, weil aus seiner Sicht Rechte und Pflichten zusammengehörten.

Corina Gredig (GLP/ZH) sagte, es gehe auch um Vertrauen in das Schulsystem und in junge Menschen. Die Erfahrungen in Österreich sowie aus dem Kanton Glarus zeigten, dass es beim Stimmrechtsalter 16 keine Nachteile gebe. Gredig kritisierte zudem die Kommissionsmehrheit. Diese weigere sich, einen vom Gesamtrat vor knapp zwei Jahren gefassten Beschluss umzusetzen. Geschlossen für Stimmrechtsalter 16 war die Ratslinke. Greta Gysin (Grüne/TI) sagte, dass Durchschnittsalter der Stimmenden werde immer höher. Dabei seien jene, die von Zukunftsthemen wie dem Klimawandel betroffen seien, von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen. Auch die SP unterstützte die Initiative Arslans. Die Demokratie sei auf Nachwuchs angewiesen, sagte Nadine Masshardt (SP/BE). Das zeige sich in den Gemeinden. Politisches Interesse sei keine Frage des Alters.

(text:sda/bild:beo)