6 März 2023

Ukraine hält an Bachmut fest – Zoff unter russischen Truppen

Kyjiw will an der seit Monaten umkämpften ostukrainischen Stadt Bachmut trotz fast vollständiger Einkreisung vorerst weiter festhalten.

Das teilte die ukrainische Regierung am Montag nach einer Lagebesprechung zwischen Präsident Wolodymyr Selenskyj, Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj und dem Chef der Landstreitkräfte Olexander Syrskyj mit. Die beiden Militärs sprachen sich demnach für „die Fortsetzung der Verteidigungsoperation und die weitere Stärkung unserer Positionen in Bachmut aus“, hiess es weiter. Die Mitteilung könnte Beobachtern zufolge eine Reaktion sein auf unter anderem von der „Bild“-Zeitung veröffentlichte Gerüchte über ein Zerwürfnis zwischen Selenskyj und Saluschnyj über das Vorgehen in Bachmut.

Seit Monaten wird um Bachmut gekämpft, wo vor dem Krieg etwa 74 000 Einwohner lebten. Die Stadt, in deren Ruinen nach offiziellen Angaben noch etwa 5000 Zivilisten ausharren, wurde dabei praktisch komplett zerstört. Der strategische Wert Bachmuts ist nach der Vertreibung der russischen Truppen aus dem Gebiet Charkiw gering. Für die russische Militärführung hat die Einnahme aber grosse Symbolkraft, da sie Erfolge vorweisen muss. Die ukrainische Seite hielt Bachmut lange, da die gut ausgebauten Stellungen in der Stadt es ermöglichten, den Angreifern hohe Verluste bei ihrem langsamen Vormarsch zuzufügen.

Nach Einschätzung von Militärbeobachtern könnte Kyjiw aber seine Streitkräfte zumindest aus Teilen Bachmuts abziehen. „Die ukrainischen Kräfte könnten sich, angesichts der durch Bilder mit Geolocation bestätigten Zerstörung der Eisenbahnbrücke über den Fluss im Nordosten von Bachmut am 3. März, von ihren Positionen am Ostufer des Bachmutka-Flusses zurückziehen“, schrieb das in den USA ansässige Institut für Kriegsstudien (ISW). Russischen Militärbloggern zufolge nahm die dort kämpfende Söldnertruppe Wagner inzwischen Teile im Osten, Süden und Norden Bachmuts ein.

Unterdessen schwelt der Konflikt zwischen der Söldnertruppe und dem russischen Verteidigungsministerium weiter. Bei den am Montag neuerlich aufgetauchten Berichten über eine angebliche Drohung von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin, seine vor Bachmut kämpfende Einheit abzuziehen und damit einen Zusammenbruch der Front zu provozieren, handelt es sich wohl um eine ältere Äusserung des Oligarchen. Sie soll auf dem Höhepunkt des Konflikts vor ein paar Wochen gefallen sein, als sich die Söldner über unzureichende Munitionsversorgung durch das Ministerium beschwerten.

Dass es weiter Streit gibt, bestätigte Prigoschin allerdings am Montag auf dem Telegram-Kanal seines Pressedienstes. Seinem Vertreter sei mit Montagmorgen der Zugang zum Stab der Heeresgruppe verwehrt worden, klagte er. Von einem Rückzug seiner Einheiten sprach er allerdings nicht. „Wir werden weiterhin die ukrainischen Streitkräfte bei Bachmut vernichten“, sagte er.

Das russische Militär hatte laut Kyjiwer Angaben die Ukraine in der Nacht zum Montag erneut mit zahlreichen Angriffen aus der Luft überzogen. „Es wurden Drohnen aus nördlicher Richtung gestartet“, sagte der Sprecher der ukrainischen Luftstreitkräfte Jurij Ihnat am Montag im Fernsehen. Seinen Angaben zufolge konnte die Flugabwehr 13 der insgesamt 15 Drohnen abschiessen.

Aus der ostukrainischen Stadt Kramatorsk wurden mehrere Einschläge gemeldet. Demnach wurde die unter ukrainischer Kontrolle stehende Grossstadt im Gebiet Donezk mit Raketen beschossen. „Die Folgen des nächtlichen Raketenangriffs – eine Schule wurde zerstört und 15 Mehrfamilienhäuser beschädigt“, teilte der Bürgermeister am Montag mit. Demnach wurde niemand verletzt oder getötet.

Kurzzeitig wurde am Montagmorgen erneut landesweit der Luftalarm ausgelöst. Später gab es Entwarnung. Seit Herbst überzieht das russische Militär die Ukraine regelmässig mit massiven Raketen- und Drohnenangriffen. Die meisten Attacken richten sich gegen Energieanlagen. Millionen Ukrainer sind so gezwungen, im Winter über längere Zeit ohne Strom- und teilweise auch ohne Wasser- und Wärmeversorgung auszukommen.

Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat nach offiziellen Angaben die ukrainische Hafenstadt Mariupol besucht, die im Frühjahr 2022 bei der Eroberung durch Moskauer Truppen zerstört wurde. Schoigu habe während seiner Inspektionsreise durch den Donbass in Mariupol die Arbeit der Baubrigaden kontrolliert, teilte das russische Verteidigungsministerium am Montag auf seinem Telegram-Kanal mit.

Auf den Videoaufnahmen ist der 67-Jährige unter anderem in einem neu gebauten Lazarett und vor dem Gebäude des Zivilschutzes zu sehen. Die Bilder sollen wohl die Aktivität und Fürsorge der russischen Führung demonstrieren. Zuletzt mehrte sich Kritik, die Verantwortlichen in Moskau führten den Krieg nur aus ihren Kabinetten und kümmerten sich nicht um die Sorgen der Soldaten und der örtlichen Bevölkerung, die Russland nach eigenem Verständnis befreit hatte.

(text:sda/bild:keystone)