Kanton soll sich für höhere Verteidigungsausgaben einsetzen
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(03:00)
Der Kanton Bern solle sich mit einer Standesinitiative beim Bund dafür einsetzen, dass dieser mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) für die militärische Landesverteidigung aufbringt. Das fordert ein Vorstoss im bernischen Grossen Rat. Unterschrieben haben den Vorstoss 43 Grossratsmitglieder der Parteien SVP, FDP, Mitte und EDU.
Mit der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland 2014 und dem russischen Aggressionskrieg gegen die Ukraine seit 2022 habe sich die geopolitische Lage verschärft, argumentiert Grossrat Christoph Zimmerli (FDP) in seinem Vorstoss. Seit kurzem konfrontiere Russland auch west- und mitteleuropäische Staaten mittels hybrider Kriegsführung und verletze damit in eklatanter Weise das Völkerrecht, heisst es weiter. Im Vorstoss nicht erwähnt, aber in diesem Zusammenhang zu betonen ist auch der Umstand, dass in diversen europäischen Hauptstädten die Unterstützung durch die aktuelle US-Regierung für ihre europäischen Verbündeten nicht mehr über alle Zweifel erhaben zu sein scheint. Die im Vorstoss erwähnte erhöhte sicherheitspolitische Risikolage ist folglich kaum von der Hand zu weisen.
Die Schweiz, so Zimmerli, sei aktuell nicht verteidigungsfähig. Sie sei militärisch nicht in der Lage, einen Drohnenangriff geschweige denn einen Angriff mit Marschflugkörpern abzuwehren.
Die Nato-Staaten haben auf den russischen Überfall auf die Ukraine mit einer Erhöhung ihrer Verteidigungsausgaben reagiert. Die meisten Investieren zwischen 1.8 und 4.7 Prozent ihres BIP in die Verteidigung. Anders sieht es in der Schweiz aus: 0.72 Prozent des BIP fliessen hierzulande in die Verteidigung. Nach langer Diskussion hat sich Bundesbern darauf geeinigt, die Verteidigungsausgaben bis 2032 auf ein Prozent des BIP zu steigern.
Zimmerli führt in seiner Motion Vergleiche mit anderen europäischen Staaten an, etwa Finnland (2.4 Prozent des BIP), Dänemark (2.4 des BIP) und die Niederlande (1.9 Prozent des BIP). Nur: Der Prozentsatz des BIP an die Verteidigung mag zwar Standard sein, ist aber unter Umständen wenig aussagekräftig. Zum Vergleich: Das flächenmässig doppelt so grosse, Einwohnermässig etwa gleich grosse und ebenfalls in den Alpen gelegene, ebenfalls neutrale Österreich gab 2024 rund ein Prozent des BIP für die Verteidigung aus, gemessen am BIP also fast 40 Prozent mehr als die Schweiz (2024: 0.72 Prozent des BIP). Weil 2024 das österreichische BIP mit 523 Milliarden US-Dollar aber deutlich unter jenem der Schweiz (2024: 938 Milliarden) lag, gab die Schweiz mit 5.9 Milliarden Franken trotzdem deutlich mehr für die Verteidigung aus als ihre Nachbarin mit 4.9 Milliarden Euro (4.6 Milliarden Franken). Auch ist die Schweizer Armee dem österreichischen Bundesheer sowohl beim Material wie auch bei der Anzahl Soldatinnen und Soldaten, überlegen, wie ein Vergleich der Zahlen des VBS und des Bundesministeriums für Landesverteidigung zeigt.
Verteidigungsfähig seien Österreich und die Schweiz aktuell nur bedingt, schrieb dazu das österreichische Wochenmagazin News heuer im Frühjahr. Zwar könnten sich beide Staaten gegen einen russischen Angriff durchaus verteidigen, so das Magazin, im Alleingang würde das aber nicht besonders lange funktionieren.
Das sieht auch Zimmerli so: Kein westeuropäisches Land sei heute alleine verteidigungsfähig. Die Schweiz müsse mit ihren Nachbarländern solidarisch sein, so Zimmerli weiter, und gemeinsam die europäischen Werte verteidigen. Und dafür müsse sie in der Lage sein, sich zumindest selber zu schützen. Wenn die Schweiz jetzt nicht in ihre Sicherheit investiere, dann nehme sie ihre Verpflichtungen – ganz unabhängig von ihrer Neutralität – gegenüber ihren Nachbarländern, und insbesondere gegenüber ihrer Bevölkerung, nicht wahr.
Eine glaubwürdige, eigenständig handlungsfähige und zeitgemäss ausgestattete Landesverteidigung erfordere, sich dem europäischen sicherheitspolitischen Standard von mindestens zwei Prozent des BIP anzugleichen, schlussfolgert Zimmerli. Dafür soll sich der Kanton im Rahmen einer Standesinitiative einsetzen.
Der Grosse Rat berät den Vorstoss und damit die Standesinitiative voraussichtlich in der Frühlingssession.
(text:csc/bild:unsplash)