4 Oktober 2021

Impfpflicht für Arbeitnehmer dürfte Ausnahme bleiben

Arbeitgeber dürfen unter bestimmten Bedingungen ein Covid-Zertifikat am Arbeitsplatz verlangen. Prompt kündigte die Fluggesellschaft Swiss an, nur noch mit geimpftem Personal fliegen zu wollen. Doch die Meinungen von Juristen, Verbänden und Gewerkschaften zur Impfpflicht gehen stark auseinander.

Nun stellt sich die Frage, wie es am Arbeitsplatz bezüglich Impfen und Zertifikaten weitergehen soll. Insbesondere mit dem bevorstehenden Ende kostenloser Tests dürfte sich die Lage verschärfen und die Diskussionen hitziger geführt werden.

Der Pharmakonzern Novartis und die Versicherer Swiss Re und Zurich habe bereits angekündigt, von ihren Angestellten ein Covid-Zertifikat zu verlangen. Zudem sind einige Mitarbeitende der Schweizerischen Post von der Zertifikatspflicht betroffen, wenn sie Pakete und Briefe in Spitäler zustellen, wo ohne Zertifikat niemand reinkommt.

Bislang war der Fall Swiss in der Schweiz eine Ausnahme, wie Barbara Spalinger, Vizepräsidentin der Schweizerischen Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV), im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP erklärte. Die Impfpflicht für das Flugpersonal der Swiss sei nur im Zusammenhang mit den besonderen Arbeitsbedingungen in einem Flugzeug zur rechtfertigen, führt sie aus.

Zwar gebe es für Personal im öffentlichen Verkehr auch bei anderen Firmen eine Zertifikatspflicht. Ein Zertifikat könne aber auch mittels Tests und nicht bloss mit der Impfung erworben werden, so die Expertin weiter.

Entsprechend sei das Verweigern einer Impfung in den meisten Fällen auch kein Entlassungsgrund. Erst wenn der Arbeitnehmer ohne Impfung nicht in der Lage sei zu arbeiten oder sich nicht testen lassen wolle, stelle sich die Frage einer Entlassung, erklärte sie.

Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse fordert die Arbeitgeber denn auch dazu auf, die Impffreiheit der Angestellten zu respektierten. Viele grosse Unternehmen versuchen es daher mit Aufklärung und Anreizen statt mit Druck und Zwang. Mehrere Firmen haben in den letzten Monaten ein Impfangebot am Arbeitsplatz organisiert, einige haben sogar Prämien oder zusätzliche freie Tage angeboten.

So haben etwa die Swiss Casinos ihren Mitarbeitenden fürs Impfen 200 Franken angeboten. Oder der Modeverkäufer Tally Weijl versuchte den Angestellten, die Impfung mit zwei freien Tagen schmackhaft zu machen.

Mit dem Ende der kostenlosen Tests dürfte sich die Lage rund ums Thema Impfen und Testen zuspitzen. Ab dem 10. Oktober könnten Gruppentests in Unternehmen zwar noch übernommen werden. Einzeltests, etwa bei Geschäftsreisen, dürften dagegen nicht mehr erstattet werden.

Die meisten Firmen könnten den ungeimpften Arbeitnehmern aber entgegenkommen und Tests zumindest für eine Übergangszeit finanzieren, meint Basile Dacorogna, Projektleiter beim Verband Economiesuisse.

Die Kosten für Tests könnten aber insbesondere kleine Unternehmen in Bedrängnis bringen. Laut Dacorogna ist es möglich, dass die Arbeitgeber die Tests dann nicht mehr bezahlen wollen. Laut Barbara Spalinger vom SEV ist dies aber gar nicht möglich: Mit dem Ende der kostenlosen Tests sei der Arbeitgeber gezwungen, für diese zu zahlen. Die Meinungen der Experten zum Thema gehen also auseinander.

Wichtig sei auch der Schutz der Privatsphäre, betonte Christian Oberson, Präsident des Berufsverbands HR Genf. Wenn also ein Arbeitgeber für oder gegen die Impfung Partei ergreife, bestehe die Gefahr, dass sich Spannungen verschärften. Schliesslich urteile man über etwas, das in der Verantwortung des Einzelnen und nicht des Unternehmens liege, zumindest solange die Impfung in der Schweiz nicht obligatorisch sei.

Eine kürzlich von der Jobsuchplattform Indeed in der Schweiz durchgeführte Umfrage ergab, dass die Mehrheit der Befragten (61%) gegen eine Impfpflicht ist. Fast ein Drittel würde sich nach einem neuen Arbeitsplatz umsehen oder kündigen, wenn der Arbeitgeber eine Impfpflicht fordern würde. Bei den Nichtgeimpften steigt der Anteil auf 86 Prozent.

(text:sda/bild:chl)