2 Dezember 2025

Grosser Rat: Die Mär der Steuersenkungen

Sie gehört zur Vorweihnachtszeit wie Glühwein, Weihnachtsmärkte und Mandarinli: Die Budgetdebatte im Grossen Rat. Und zur Budgetdebatte gehört die Diskussion um Steuersenkungen. Der Kanton Bern ist ein Hochsteuerkanton – die bürgerlichen Parteien, allen voran FDP und SVP, möchten im Vergleich zu den anderen Kantonen «wettbewerbsfähiger» werden. Die Linke warnt jeweils von einem «Race to the Bottom» und einem Kampf, den der Kanton nicht gewinnen kann. Auch diesmal war das nicht anders. Die Studienlage gibt der Linken Recht.

Steuersenkungen würden dazu führen, dass sich Bürgerinnen und Bürger mehr leisten könnten, Unternehmerinnen und Unternehmer mehr investieren, gab etwa Grossrat Nils Fiechter (SVP) zu Protokoll. Das klingt zwar logisch, die Faktenlage sieht aber anders aus: Die Annahme, dass niedrigere Unternehmenssteuern zu mehr Investitionen, Arbeitsplätzen oder grundsätzlich Wirtschaftswachstum führen, lässt sich nicht belegen. Das zeigen mehrere Metastudien der letzten Jahre. Von Unternehmenssteuersenkungen profitieren auch in erster Linie grosse Unternehmen, was das Risiko erhöht, dass die Gelder, auf welche die Allgemeinheit verzichtet, ins Ausland abfliessen oder als Dividenden an die Aktionärinnen und Aktionäre ausgeschüttet werden. Weil, auch das ist logisch: Unternehmen sind keine Wohltätigkeitsorganisationen, sie investieren und schaffen Arbeitsplätze nur, wenn die entsprechende Nachfrage vorhanden ist. Kleine Unternehmen und insbesondere Mikrounternehmen, profitieren von den Steuersenkungen kaum, weil sie ohnehin wenig Gewinn erwirtschaften.

Gleichzeitig muss der Kanton den Gürtel enger schnallen, verzichtet auf oder verschiebt Investitionen, was sich wiederum negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirken kann.

Bei den Bürgerinnen und Bürgern werden die Steuersenkungen, ausser bei grossen Einkommen, von den steigenden Lebenshaltungs-, Miet- und Krankenkassenkosten ohnehin aufgefressen.

Und sowieso: Der Kanton Bern wird die Steuern niemals genügend senken können, um «wettbewerbsfähig» zu werden. Mit Zug und Nidwalden erst recht nicht und es gibt auch keine Garantie, dass die Kantone im Mittelfeld nicht ebenfalls nachziehen und den Kanton Bern durch eigene, weitere Steuersenkungen wieder auf die hinteren Plätze verweisen. SP-Grossrat David Stampfli bemühte sich um eine Sportmetapher: Schwingerkönig Christian Stucki könnte bei 100-Meter-Hürden auch nicht mit Ditaji Kambundji mithalten. Der Kanton Bern wird auch nie einen Steuerwettbewerb mit Zug gewinnen.

Bern kann sich keine Steuersenkungen leisten

Grossrätin Barbara Stotzer-Wyss (EVP) verwies in der Debatte mit Bezug auf die Benchmarkanalyse noch einmal auf die Tatsache, dass der Kanton Bern überdurchschnittliche Steuern erheben muss, um ein im interkantonalen Vergleich durchschnittliches Angebot zu bieten. Das liege an der Grösse, der Topgraphie und der entsprechenden Infrastruktur zu tun, so Stotzer-Wyss weiter, auch im Bereich Sicherheit habe der Kanton mit der Bundesstadt andere Voraussetzungen und es gebe weiterhin viele Infrastrukturprojekte anzugehen.

Stotzer-Wyss warnte aber auch, mit Blick auf die Herausforderungen des Klimawandels, leichtsinnig auf Steuereinnahmen zu verzichten. Durch den Klimawandel würden im Kanton in den nächsten Jahren die Kosten für den Schutz vor Steinschlag und Hochwasser voraussichtlich weiter steigen, so die EVP-Grossrätin, mit Blick auch auf diese Herausforderungen sei es wenig sinnvoll, die finanziellen Ressourcen des Kantons zu schmälern.

Ihre Worte blieben wenig überraschend ungehört. Die bürgerliche Mehrheit lehnte die entsprechende Planungserklärung, die den Verzicht auf Steuersenkungen vorsah, mit 95 Nein- zu 59 Ja-Stimmen ab.

(text:csc/bild:adu)