13 April 2021

Gemeindeparlament oder Gemeindeversammlung?

Der Regierungsrat solle die notwendigen Grundlagen schaffen, damit grössere Gemeinden ein Gemeindeparlament verfügen und damit mittelgrosse Gemeinden ein Gemeindeparlament einführen, dass im Proporz- oder Majorzverfahren gewählt wird. Das fordert Grossrat Thomas Gerber (Grüne) in einer Motion. Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohner:innen sollen ein Gemeindeparlament haben. Das das erklärte Ziel seiner Motion, sagt Gerber gegenüber Radio BeO. Er begründet dies mit dem Beispiel, dass bei Gemeindeversammlungen Anwohner:innen bei einer Abstimmung über eine Bauvorhaben oft zahlreich teilnehmen und so ihr persönliches Interesse über jenes der Gemeinde stellen könnten. Ausserdem fehle gerade in der aktuellen Pandemiesituation, in der diverse Gemeindeversammlungen durch Urnenabstimmungen ersetzt werden, die politische Diskussion. Weiter würden beispielsweise die Kantone Genf und Neuchatel Gemeindeparlamente vorschreiben, die dem Kanton Bern struktur- und bevölkerungsmässig ähnliche Waadt erlaube kleineren Gemeinden eine Art Parlament im Majorzverfahren.

Heute haben 23 der insgesamt  339 Gemeinden des Kantons Bern ein Gemeindeparlament. Es sind dies neben den vier grössten Gemeinden Bern, Biel, Thun und Köniz, beispielsweise im Aaretal und dem Berner Oberland die Gemeinden Münsingen, Spiez, Steffisburg und Interlaken. Nur zwei Gemeinden mit mehr als 10’000 Einwohner:innen, namentlich Belp und Ittigen, verfügen über kein Gemeindeparlament.

Der Regierungsrat empfiehlt die Ablehnung der Motion. Die Berner Kantonsverfassung garantiere den Gemeinden eine grosse Autonomie, welche dem Kanton bei der Gemeindeorganisation nur die Regelung der Grundzüge erlaube – er könne, basiert auf Artikel 111, nicht für bestimmte Gemeinden die Einführung eines Gemeindeparlaments anordnen. Wer also die Legislavfunktion der Gemeinde wahrnehmen soll, also Gemeindeversammlung oder Parlament, sei eine grundlegende Entscheidung der jeweiligen Gemeinde. Damit werde auch dem unterschiedlichen Staatsverständnis der Sprachregionen des Kantons Rechnung getragen, hält die Regierung weiter fest, während der frankophone Kantonsteil traditionell die repräsentative Demokratie (d.h. Parlamente) vorziehe, gäben Gemeinden im deutschsprachigen Kantonsteil eher der direktdemokratischen Gemeindeversammlung den Vorzug. Die jeweiligen Stimmberechtigten sollen selbst über ihre Gemeindestruktur entscheiden können, argumentiert der Regierungsrat seine Ablehnung. Die Vorlage geht nun in den Grossen Rat.

(text:cs/bild:beo)