2 November 2023

Freie Fahrt durch Gotthard-Basistunnel verzögert sich massiv

Die Schäden am Gotthard-Basistunnel nach der Entgleisung eines Güterzugs im August sind weit gravierender als angenommen: Der Bahntunnel soll deshalb voraussichtlich erst im September 2024 wieder vollständig für Reise-und Güterzüge zur Verfügung stehen.

Die SBB entschieden sich, die betroffene Fahrbahn über sieben Kilometer komplett zu erneuern. Die Fahrbahn nur an den zahlreichen beschädigten Stellen zu reparieren, käme einem Flickwerk gleich, teilte das Bahnunternehmen am Donnerstag mit.

Die Sanierung der gesamten Fahrbahn sei die einzige Variante, die langfristig die Sicherheit im Tunnel garantiere, sagte SBB-Chef Vincent Ducrot vor den Medien in Bern. Sie beanspruche viel Zeit. „Es ist eine Variante, die uns lange beschäftigen wird“, sagte er. Schliesslich baue man nicht schnell mal sieben Kilometer in einem Tunnel. Die Arbeiten seien kompliziert.

Dies hat zur Folge, dass die Reparaturarbeiten weit länger dauern als ursprünglich angenommen. Die Verantwortlichen der SBB gehen davon aus, dass beide Röhren des Basistunnels wohl erst im Verlaufe des Septembers 2024 wieder vollständig befahrbar sind.

Peter Kummer, Leiter Infrastruktur bei den SBB, sagte, es bestünden Chancen, dass die Arbeiten früher fertig sein können. „Wir sehen aber auch Risiken, dass sie länger dauern könnten.“

Die Schadenssumme beträgt nach aktuellem Kenntnisstand rund 100 bis 130 Millionen Franken. Das Bahnunternehmen verfüge über eine Versicherung für solche Ereignisse, halten die SBB fest. Zur Haftungsfrage sagte Ducrot: „Grundsätzlich haftet, wer den Lokführer stellt.“ Doch vorerst müsse noch die Untersuchung der Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) abgewartet werden.

Die SBB prüfen laut eigenen Angaben „sämtliche Möglichkeiten, die Reparaturarbeiten zu beschleunigen“. Dies mit dem Ziel, den Basistunnel früher wieder vollständig in Betrieb zu nehmen.

Unter logistisch und klimatisch „sehr anspruchsvollen Verhältnissen“, bei Temperaturen über 40 Grad, würden derzeit pro Woche rund 300 Meter der insgesamt auf sieben Kilometern beschädigten Fahrbahn erneuert, sagte Peter Kummer. „Es ist sehr staubig und dreckig“, sagte er. Die Arbeiter müssten alle 40 Minuten eine Pause in einem kühlen Raum einlegen.

Auf der ganzen Strecke werden die Schienen ersetzt sowie mehr als 20’000 Schwellenblöcke und die Betonschicht, in die sie eingegossen sind. Die Reparaturarbeiten seien stark abhängig von den Lieferanten, sagte Kummer. Auch der Ersatz des beschädigten Spurwechseltors und der beiden Schnellfahrweichen in der Multifunktionsstelle Faido würden mehrere Wochen in Anspruch nehmen.

Als Folge der gravierenden Entgleisung werde der betroffene Radtyp häufiger kontrolliert, sagte Ducrot. Auch die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) sei dran, herauszufinden, warum es zu diesem Bruch kam.

Man könnte sich vorstellen, künftig entlang der Strecken Sensoren zu montieren, sagte Kummer. Solche Systeme seien derzeit aber noch unzuverlässig. „Es gäbe pro Woche zu viele Falschmeldungen“, sagte Kummer. Ducrot sagte aber auch: „Leider bleibt ein Restrisiko, nicht alles ist vorhersehbar.“

Die Trassen durch den Gotthard-Basistunnel während der Reparaturarbeiten seien „nach sorgfältiger Abwägung aller Bedürfnisse“ verteilt worden, halten die SBB fest. Ab dem Fahrplanwechsel im Dezember bis vorerst an Ostern 2024 sollen die Kapazitäten für den Güterverkehr unter der Woche und für den Personenverkehr am Wochenende erhöht werden. Das genaue Konzept sei derzeit in Arbeit. Die SBB wollen die genauen Verbindungen Ende November kommunizieren.

Die Preise wegen den Einschränkungen temporär anpassen möchten die SBB-Verantwortlichen nicht. Sie wollten die Kunden anders entschädigen, nämlich eben durch bessere Verbindungen ab dem Fahrplanwechsel, sagte Durcrot.

Zur Entgleisung des Güterzugs war es am 10. August in der Weströhre des Tunnels gekommen. Und zwar, weil an einem Wagen ein Rad gebrochen war. Der Lokführer blieb unverletzt. Bereits seit dem 23. August verkehrt der Güterverkehr wieder durch die unbeschädigte Oströhre. Der Personenverkehr zwischen der Deutschschweiz und dem Tessin wird seit dem Unfall grossmehrheitlich über die Panoramastrecke umgeleitet.

(text:sda/bild:unsplash)