Ex-Premier Boris Johnson kandidiert doch nicht erneut fürs Amt
Der skandalumwitterte Boris Johnson wird nun doch nicht bei einer parteiinternen Abstimmung erneut für das Amt des britischen Premierministers kandidieren. Obwohl er die notwendige Unterstützung in der konservativen Tory-Fraktion habe, habe er sich dagegen entschieden, teilte der Ex-Premier am Sonntagabend mit. Johnson war nach etlichen Skandalen erst Anfang September nach enormem Druck aus seiner eigenen Partei aus dem Amt geschieden.
Knapp zwei Monate später sucht die Tory-Partei wieder eine neue Spitze und damit schon den nächsten britischen Premierminister. Johnsons Nachfolgerin Liz Truss war am Donnerstag nach sechs beispiellos chaotischen Wochen im Amt zurückgetreten. Bis Montagnachmittag (15.00 Uhr MESZ) können Kandidaten für das Spitzenamt ins Rennen gehen. Chancen hat nur, wer mindestens 100 Abgeordnete hinter sich vereint.
Damit ist Ex-Finanzminister Rishi Sunak der aussichtsreichste Kandidat für den Einzug in die Downing Street. Für ihn haben sich nach Zählung der BBC bereits mehr als 140 Parlamentarier öffentlich ausgesprochen. Notwendig ist die Unterstützung von mindestens 100 Abgeordneten. Er wolle das Land mit „Integrität und Professionalität“ durch die Krise führen, schrieb der 42-Jährige auf Twitter, als er am Sonntag seine Kandidatur offiziell machte.
Ausserdem noch im Rennen ist die Ministerin für Parlamentsfragen, Penny Mordaunt, die bislang jedoch weit abgeschlagen auf dem dritten Platz lag. Theoretisch könnten aber nun Abgeordnete aus dem Johnson-Lager zu Mordaunt wechseln und ihr damit deutlich mehr Rückhalt geben.
Zu seinem überraschenden Rückzug erklärte Johnson, er habe den Rückhalt von 102 Abgeordneten und könne damit eine Bewerbung einreichen. Diese Zahl konnte von britischen Medien nicht verifiziert werden, da sich deutlich weniger Unterstützer öffentlich für Johnson ausgesprochen hatten.
„Ich hätte gute Chancen auf Erfolg in der Parteibasis und könnte womöglich am Freitag zurück in der Downing Street sei“, schrieb Johnson. Dennoch sei er zu dem Schluss gekommen, dass dies nicht der richtige Weg sei. „Man kann nicht effektiv regieren, wenn man keine geeinte Partei im Parlament hat.“ Leider sei keine Einigung mit seinen Rivalen Sunak oder Mordaunt zustande gekommen. „Ich glaube, dass ich viel zu bieten habe, aber leider ist dies wohl nicht die richtige Zeit“, so der 58-Jährige.
Tatsächlich hatte Johnson bis zuletzt seine Kandidatur gar nicht offiziell bestätigt. Über das Wochenende hinweg liess er jedoch seine Unterstützer verbreiten, er stehe bereit und habe bereits die notwendige Unterstützterbasis beisammen.
Ein Comeback Johnsons hätte das Potenzial gehabt, die tief gespaltene Tory-Partei noch tiefer ins Chaos zu stürzen: Mehrere Abgeordnete hatten für diesen Fall gedroht, Johnson die Gefolgschaft als Premier zu verweigern oder gar die Partei zu verlassen. Über dem Skandalpolitiker schwebt noch immer eine Untersuchung, ob er in der „Partygate“-Affäre das Parlament belogen hat – was als politisches K.-o.-Kriterium gelten würde. Der einflussreiche Brexiteer Steve Baker bezeichnete deshalb ein Comeback am Sonntag als „garantiertes Desaster“.
(text:sda/bild:keystone)