11 Mai 2023

Es kommt neue Bewegung in die Kriegsmaterial-Debatte

Die Wiederausfuhr von Kriegsmaterial soll unter Bedingungen möglich werden. Das hat die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats (SIK-S) am Donnerstag entschieden – im Einklang mit ihrer Schwesterkommission. Nun kann ein Gesetzesentwurf ausgearbeitet werden.

Damit kommt nach monatelangen Diskussionen etwas Schwung in die Debatte um eine Änderung des geltenden Kriegsmaterialgesetzes. Dieses verbietet der Schweiz, ausländische Anfragen für eine Weiterausfuhr von Schweizer Waffen in die Ukraine zu bewilligen.

Deutschland zum Beispiel will Schweizer Munition für den Flugabwehrpanzer Gepard in die Ukraine liefern. Der Bundesrat hält sich seit Beginn des Kriegs strikt an die gesetzlichen Vorgaben – und lehnte dieses und verschiedene weitere ausländische Begehren ab. Die Schweiz kam international unter Druck.

Seit Monaten ist eine Reihe von Vorstössen hängig, die einen Kriegsmaterial-Kompromiss anstreben. Das Parlament diskutiert verschiedene Vorschläge für Ausnahmeregelungen. Der Bundesrat will bisher indes partout keine Änderung.

Nun gab die SIK-S einer parlamentarischen Initiative der Nationalratskommission überraschend deutlich Folge – mit 8 zu 5 Stimmen, wie Kommissionspräsident Werner Salzmann (SVP/BE) am Donnerstagabend vor den Medien in Bern bekanntgab. Weil beide Kommissionen grünes Licht gegeben haben, kann die Nationalratskommission jetzt eine Vorlage ausarbeiten.

Salzmann sprach von einem „Grundsatzentscheid“. Viele offene Fragen müssten bei der Erarbeitung des Textes noch geklärt werden. Die Mehrheit sei aber nach Abklärungen und Expertenanhörungen der Ansicht, dass Handlungsbedarf bestehe. Ob die Lösung mit dem Neutralitätsrecht vereinbar wäre, müsse „im Detail geprüft“ werden, so Salzmann.

Als Basis für die weiteren Arbeiten dient der sogenannte kombinierte Ansatz. Dieser sieht vor, dass der Bundesrat künftig im Einzelfall eine Nichtwiederausfuhr-Erklärung ausnahmsweise auf fünf Jahre befristen kann. Nämlich dann, wenn das Bestimmungsland die Menschenrechte nicht schwerwiegend verletzt, keine Gefahr besteht, dass das Kriegsmaterial gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wird, und wenn das Bestimmungsland nicht in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist.

Die Wiederausfuhr von Rüstungsgütern in einen kriegführenden Staat wäre möglich, wenn dieser von seinem völkerrechtlichen Selbstverteidigungsrecht Gebrauch macht – und dies von der Uno-Vollversammlung mit Zweidrittelmehrheit respektive vom Uno-Sicherheitsrat mit einer Resolution festgestellt wurde. Letzteres ist aufgrund des Vetorechts der ständigen Mitglieder unwahrscheinlich. Die Gesetzesänderung würde gemäss dem Vorschlag auch rückwirkend gelten.

Salzmann dämpfte sogleich die Erwartungen, wonach der Kriegsmaterial-Kompromiss nun rasch umgesetzt werden könnte. „Die Vorlage wird frühestens im nächsten Jahr im Ständerat beraten.“ Ein allfälliges Referendum würde die Umsetzung weiter verzögern. „Wir sind nur einen kleinen Schritt weiter, Waffen indirekt in die Ukraine zu liefern“, sagte Salzmann.

Neben der nun angenommenen Initiative liegen weitere Vorschläge weiterhin auf dem Tisch. Der Nationalrat befindet an der Sommersession etwa über die „Lex Ukraine“, wonach Länder, die Schweizer Rüstungsgüter gekauft haben, diese der ukrainischen Armee weitergeben dürften. In der SIK-S fand diese Idee keine Mehrheit.

Festhalten will die Ständeratskommission indes an ihrem ursprünglichen Vorschlag, die Nichtwiederausfuhr-Erklärungen für bestimmte Länder auf fünf Jahre zu befristen. Die Zielländer wie Deutschland, Frankreich, Italien oder auch die USA müssten sich gemäss dieser Kommissionsinitiative verpflichten, das Material nur unter bestimmten Voraussetzungen weiterzugeben. Diesen Vorschlag lehnte die Nationalratskommission bisher ab. Die Lösung, die nun weiterverfolgt wird, ist aber ähnlich formuliert.

Mit einer neuen Kommissionsmotion will die SIK-S schliesslich eine 2021 beschlossene Verschärfung des Kriegsmaterialgesetzes rückgängig machen. So soll der Bundesrat von den Bewilligungskriterien für Auslandsgeschäfte abweichen dürfen, wenn ausserordentliche Umstände vorliegen und die Wahrung der aussen- oder der sicherheitspolitischen Interessen des Landes dies erfordert. Salzmann bezeichnete diesen Schritt als „positives Zeichen an die Schweizer Rüstungsindustrie“.

(text:sda/bild:unsplash)