26 Dezember 2022

Entscheid zum Rücktritt fiel bei der Streckenbesichtigung

Fünf Tage nach dem angekündigten Rücktritt spricht Beat Feuz in Bormio über seinen Entscheid. Im Veltlin erklärt der Emmentaler unter anderem seinen Abgang während der Saison.

Einen Rückzug aus dem Spitzensport zu begründen, kann so einfach sein. Womöglich fällt es noch leichter, als Fahrer abzutreten, der alles erreicht hat in seiner Karriere, der Olympiasieger ist, Weltmeister – und vierfacher Gewinner des Abfahrts-Weltcups.

„Irgendwann ist einfach genug. Ich habe genug vom Skisport. Ich habe genug miterlebt, genug erreicht“, sagt Beat Feuz. Solche und ähnliche Gedanken waren für ihn Zeichen dafür, „dass es sich nicht mehr richtig anfühlt, Rennen zu fahren und um Hundertstel zu kämpfen.“ Und, vor allem, gebe es andere Dinge, die für ihn wichtiger geworden seien, sagt Feuz auch. „In erster Linie meine Familie. Ich bin mittlerweile zweifacher Vater.“

Dann ist da aber auch sein Körper, sein linkes Knie, das ihm seit einem vor 15 Jahren erlittenen Kreuzbandriss nicht nur Probleme bereitet, sondern die Agenda für seinen Alltag als Skirennfahrer mitbestimmt. Die Situation sei oft schlimmer gewesen, ein grösserer Kampf, als es allgemeinen wahrgenommen worden sei. „Denn ich war keiner, der in den letzten zehn Jahren gern und oft über mein Knie geredet hat.“

Feuz hätte noch Lust gehabt, weiterhin Rennfahrer zu sein. „Doch es braucht sehr viel Aufwand, um vorne mitfahren zu können. Ich musste mit zunehmendem Alter immer mehr investieren in meinen Körper und auch feststellen, dass die Baustellen, angefangen beim linken Knie, nicht kleiner wurden.“ Trotz des erforderlichen immensen Aufwands hätte Feuz selbstredend keine Garantie gehabt, schmerzfrei am Start stehen zu können. Deshalb habe er sich eingestehen müssen, dass es keinen Sinn mehr macht zu kämpfen.

„Es braucht enorm viel Zeit, den Körper in Form zu bringen, um konkurrenzfähig zu sein. Wenn ich das noch wollte, müsste ich sehr viel Zeit investieren, was ich in den vergangenen Jahren auch gemacht habe. Doch jetzt bin ich schlicht nicht mehr gewillt, diesen Aufwand zu betreiben. Und wenn du nicht mehr gewillt bist, hundert oder mehr Prozent zu investieren, hast du in diesem Sport nichts mehr verloren.“ Schon 90 Prozent Bereitschaft hätten nicht gereicht. Feuz wollte kein Mitfahrer sein. Er wäre den eigenen Ansprüchen nicht gerecht geworden.

Noch Anfang Oktober am Einkleidungstag von Swiss-Ski in Dübendorf hatte Feuz von einem Rücktritt nichts wissen wollen, und auch vor zwei Wochen im Zuge der Sports Awards, der Wahlen der Sportler des Jahres, hatte er wissen lassen, sich keine „grundsätzlichen Gedanken“ gemacht zu haben. Letzteres war nicht ganz korrekt, wie er nun in Bormio sagte. „Da habe ich nicht ganz die Wahrheit gesagt.“

Klarheit über die Richtung hatte Feuz Ende November, genauer gesagt während der Besichtigung der (wegen des Wetters abgesagten) Abfahrt in Lake Louise in Kanada. „Da habe ich feststellen müssen, dass das nicht mehr das ist, was ich will. Nach der Streckenbesichtigung habe ich Katrin (seine Lebenspartnerin, Red.) angerufen und habe ihr gesagt: ‚Ich höre auf‘.“

Mit seinem Entschluss zum Rücktritt während der Saison, nach den Abfahrten am Lauberhorn und auf der Streif, will Feuz „seiner Linie treu bleiben“. „Ich habe immer gesagt, dass die Klassiker in Wengen und Kitzbühel für mich die grössten Rennen sind. Da will ich nochmals konkurrenzfähig am Start stehen.“

Der Gedanke, den Schlussstrich nach den Weltmeisterschaften im Februar in Courchevel/Méribel zu ziehen, war ebenfalls da. „Damit ich aber um die Medaillen hätte mitkämpfen können, müsste ich hundertzehn Prozent Risiko nehmen. Dazu wäre ich nicht mehr bereit. Würde ich dort Vierter, bin ich der erste ‚Löli‘. Wenn ich aber in Kitzbühel in meinem letzten Rennen Neunundzwanzigster werde, ändert das nichts an meiner Karriere.“

Konkrete Pläne zu seiner beruflichen Zukunft konnte Feuz noch keine nennen. Nach den zwei Abfahrten in Kitzbühel will er vorerst einmal den Winter zusammen mit seiner Familie ausklingen lassen. Erst danach will er sich mit den sich bietenden Möglichkeiten und Wegen beschäftigen. Einen Verbleib, in welcher Form auch immer, im Skisport kann für ihn durchaus eine Option sein. „Warum nicht? Wenn ich Fachwissen habe, dann vor allem über den Skisport.“

(text:sdsa/bild:sda)