Ein Jahr Ukraine-Krieg – das sagen die Schweizer Medien
Am Freitag ist es ein Jahr her, dass Russland in die Ukraine einmarschiert ist. Die Schweizer Presselandschaft zieht eine durchzogene Bilanz bei der Bewältigung des russischen Angriffskriegs.
Für die „Neue Zürcher Zeitung“ steht fest: „Der Krieg ist ein neuer Weltkrieg – auch wenn er nicht auf verschiedenen Kontinenten ausgetragen wird.“ Denn es kämpften nicht nur Russland und die Ukraine, auch die Nato und China ringen im Machtgefüge mit. „Es ist der erste grosse Krieg, der unter den Bedingungen der Globalisierung geführt wird. Gekämpft wird nicht allein um Land an Don und Dnipro, zur Disposition steht die globale Machtverteilung.“
Sinke Russland in der Folge zu einem Klientelstaat Chinas ab, entschiede das Reich der Mitte künftig direkt über Europas Zukunft mit. „Die Geopolitik ist nach Europa zurückgekehrt, und der alte Kontinent ist schlecht darauf vorbereitet“, schreibt die Zeitung und bilanziert: „Europa kann Geopolitik nicht.“
Die Tamedia-Zeitungen blicken zurück auf „ein Jahr vergebener diplomatischer Bemühungen“. Zu ernsthaften Friedensverhandlungen sei es nie gekommen, die offenbarten Massaker in Butscha und anderen Orten hätten ihr Übriges getan. „Verhandlungen über Frieden oder auch nur einen Waffenstillstand sind im Moment sehr unwahrscheinlich“, schreiben die Zeitungen. „Das hat vor allem einen Grund: Beide Kriegsparteien sind der Ansicht, mit militärischen Mitteln eine bessere Verhandlungsposition oder sogar ihre Kriegsziele erreichen zu können.“ Wann und wie sich die Situation ändere, sei derzeit nicht abzuschätzen.
„Blick“ schreibt: „Nur selten in der Geschichte hat sich das Böse so deutlich gezeigt wie beim Angriff auf die Ukraine vor einem Jahr. Grundlos und menschenverachtend ist Russlands Krieg gegen den friedlichen Nachbarn.“ Trotzdem gewännen „Wahrheitsverdreher“ an Fahrt – auch in der Schweiz.
Die „CH Media“-Titel schreiben, Moskau habe sich zu früh über ein massenhaftes Erfrieren der Ukrainer gefreut. Moskaus Rüstungsindustrie könne es zudem nicht mit den vereinten Kräften der westlichen Waffenschmieden aufnehmen. „Nur wenn China, der grösste Waffenproduzent nach den USA, in die Bresche springt und Moskau mit Kriegsmaterial versorgt, könnte sich das Blatt noch wenden. Genau das befürchten die Amerikaner im Moment.“
Der Angriffskrieg Russlands habe für Verwirrung in der westeuropäischen Gesellschaft gesorgt, schreiben die „Schaffhauser Nachrichten“: „Plötzlich votieren Grüne und Linke, sonst eiserne Pazifisten, für fast grenzenlose Waffenlieferungen an die Ukraine. Gleichzeitig erhebt sich aus dem konservativen Lager, sonst dem Kommunismus und seinen Erben gegenüber abweisend, der Wehrhaftigkeit aber sehr verpflichtet, der Wunsch, man möge doch aufhören, Kriegsgerät an die ukrainischen Streitkräfte zu schicken.“
Die westeuropäische Friedensgesellschaft tue sich schwer mit der neuen Realität und hadere, so die Zeitung. „Einigkeit herrscht zumindest in einem Punkt: Frieden muss das Ziel sein. Nur ist die Hoffnung, dass Besänftigungs- und Appeasement-Politik den russischen Aggressor bändigen, unbegründet.“
(text&bild:sda)