1 April 2023

Der Wind wehte in der Schweiz schon mehrmals Züge aus den Schienen

Falls die beiden Zugentgleisungen in Lüscherz BE und in Büren zum Hof BE vom Freitag vom Wind verursacht worden sind, sind es nicht die ersten Unfälle dieser Art in der Schweiz. Dreimal hoben starke Winde seit 1996 Züge aus den Schienen.

Wie Christoph Kupper von der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle Sust am Samstag dem Online-Portal „20 Minuten“ sagte, blies starker Wind am 19. Januar 2007 eine Komposition der Appenzeller Bahnen bei Wasserauen AI um.

„Dort hat man dann eine Windmessanlage installiert“, sagt Kupper, dessen Team in den letzten Jahren immer wieder Zugunfälle untersucht hat, im Interview. „Wenn es zu stark windet, verkehren die Züge nicht mehr.“

Auch am Freitag meldete die Bahnverkehrsinformation Railinfo, die Verbindung von Appenzell nach Wasserauen sei zwischen Weissbad und Wasserauen wegen starker Winde eingestellt worden.

Entgleisungen wegen starker Winde gab es laut Kupper 1996 auch bei der Wengernalpbahn im Berner Oberland und 2018 bei der Montreux-Oberland-Bahn (MOB) im Berner Simmental.

Beim Unfall von 2007 in Wasserauen erlitt der Lokomotivführer einen Schock und Prellungen. Passagiere befanden sich nicht im Zug. Bei der Entgleisung der Wengernalpbahn wurden vier Touristinnen verletzt. Der Zug fuhr während eines Föhnsturms. Acht Personen wurden mehrheitlich leicht verletzt, als bei Lenk BE 2018 ein MOB-Wagen kippte.

Auf die Frage, ob Schmalspurbahnen anfälliger sind für solche windbedingten Entgleisungen, sagt Kupper: „Der Unterschied zwischen 1435 Millimeter und 1000 Millimeter Spurbreite kann durchaus einen Einfluss haben.“ 1,4 Meter Spurbreite ist die Normalspur. Die beiden entgleisten Züge der Aare Seeland Mobil (asm) im Berner Seeland und des Regionalverkehrs Bern-Solothurn bei Büren zum Hof haben eine Spurweite von einem Meter.

Züge seien zwar tonnenschwer, sagt Kupper weiter, doch sie böten dem Wind auch eine grosse Angriffsfläche. „Entscheidend ist, wie der Wind genau auf den Zug trifft.“ Starke Windböen seien auch schwer vorauszusagen, weil sie örtlich ganz unterschiedlich sein könnten.

Wie die Berner Kantonspolizei am Freitagabend mitteilte, untersuchen Fachleute der Sust in Büren zum Hof den Unfallhergang. In einer ersten Phase würden Fahrdaten und meteorologische Daten ausgewertet, sagt Kupper. Schon heute sei es so, dass die Bahnunternehmen bei Sturm eine Risikobeurteilung machen müssten.

Dass bei zunehmenden Wetterextremen das Risiko für solche Unfälle steige, sei ein „realistisches Szenario“. „Wir haben diese Frage erst kürzlich mit der Aufsichtsbehörde, dem Bundesamt für Verkehr, erörtert. Hier sind wir daran, die Grundlagen zu erarbeiten“, so Kupper. Neue Vorschriften für ein Fahrverbot bei starken Winden seien „zu prüfen“.

(text&bild:sda)