30 Januar 2024

Der Grösste tritt ab

Nach 20 Jahren als Profi hat Andy Schmid genug von der Spielerkarriere. Er hat den Schweizer Handball geprägt wie kein anderer.

Er wisse nun, dass es definitiv keinen Handball-Gott gebe, sagte Schmid Mitte Januar nach dem EM-Spiel gegen Nordmazedonien. „Wenn dieser das Spiel geschaut hätte, hätte er uns siegen lassen.“ So aber verlor die Schweiz die zweite Vorrundenpartie und schied an der EM in Deutschland aus.

Allerdings fand Schmid noch versöhnliche Worte. „Es war mein letztes Spiel für die Nationalmannschaft – und dies in jenem Land, in dem ich zwölf Jahre lebte, in dem meine Kinder auf die Welt kamen, in dem ich meine beste Zeit im Handball hatte. Deshalb ist es irgendwo ein schöner Abschluss der internationalen Karriere.“

Zwei Wochen danach steht fest: Es war sein letztes Spiel überhaupt, Schmid wird auch nicht mehr für Kriens-Luzern auflaufen, bei dem er noch einen Vertrag bis Sommer gehabt hätte. In Absprache mit dem Klub fand der 40-Jährige, dass nun der richtige Zeitpunkt gekommen sei, seine beispiellose Karriere zu beenden.

Diese Karriere begann in Luzern und führte Schmid über Zürich und Silkeborg zu den Rhein-Neckar Löwen, bei denen er nach anfänglichen Schwierigkeiten zur Klublegende aufsteigen sollte. 2010 debütierte Schmid im Team, das seine Heimspiele in Mannheim und Heidelberg austrägt. Dabei sass der mit 1,90 m und 90 kg vergleichsweise eher schmächtige Mitte-Rückraumspieler im ersten Jahr manchmal bloss auf der Tribüne, überlegte sich bereits eine Rückkehr in die Schweiz.

Doch Schmid biss sich durch und wurde dank seinem Ehrgeiz zur absoluten Leaderfigur. Von 2014 bis 2018 war er in der Bundesliga fünfmal in Folge der „Spieler der Saison“. Mit ihm als Anführer gewannen die Löwen 2016 und 2017 die bisher einzigen Meistertitel der Klubgeschichte. In den Minuten vor dem erstmaligen Liga-Titel hatte Schmid mit Tränen in den Augen gespielt. „Etwas Grösseres gibt es für mich nicht“, sagte er damals.

Die Tränen konnte er auch 2022 nicht zurückhalten, als Schmid das letzte Heimspiel für die Rhein-Neckar Löwen bestritt. Zur Verabschiedung nach zwölf Jahren wurde sein Trikot unter das Hallendach gezogen, von allen Seiten nahm der Spielmacher Gratulationen und Dank entgegen. Die erhaltene Wertschätzung sei schon fast erdrückend gewesen, so Schmid. In seiner Klubkarriere ist ihm einzig der Titel in der Champions League verwehrt geblieben.

Schmid, der seine Karriere in Deutschland auf der grösstmöglichen Bühne hätte beenden können, kehrte vor zwei Jahren in die Schweiz zurück. Bei Kriens/Luzern, dem Verein, bei dem er seine Karriere begonnen hatte, sorgte er dafür, dass der oftmals wenig beachtete Schweizer Handball etwas mehr Aufmerksamkeit erhielt. Dazu führte er die Innerschweizer im letzten Jahr zum Cupsieg. Zum 32:30-Finalerfolg gegen die Kadetten Schaffhausen steuerte er zehn Tore bei.

Dass ihm die Entwicklung des Handballs in der Schweiz am Herzen liegt, bewies Schmid ausserdem mit seinen Leistungen im Nationalteam. An der EM schoss er seinen 1094. Treffer im Schweizer Dress, womit er Marc Baumgartner (1093) als Rekordhalter abgelöst hat. Auch in dieser Statistik ist er nun der Grösste.

Entsprechend überrascht es nicht, dass Schmid ein Spiel mit dem Nationalteam als das letzte seiner Karriere ausgewählt hat. Es ist die Equipe, mit der es für ihn quasi nahtlos weitergeht. Er wird die Nachfolge von Trainer Michael Suter antreten und auch im neuen Amt versuchen, den Schweizer Handball voranzutreiben.

(text:sda/bild:keystone)