6 Januar 2023

Chaos ohne Ende: Machtkampf im US-ReprÀsentantenhaus geht weiter

Nach drei Tagen Wahlchaos im US-Kongress geht der Machtkampf um das höchste Amt im amerikanischen Parlament an diesem Freitag in die nĂ€chste Runde. Nach fĂŒnf weiteren ergebnislosen WahlgĂ€ngen bei der Abstimmung ĂŒber den Vorsitzenden des ReprĂ€sentantenhauses stimmte die Parlamentskammer am Donnerstagabend (Ortszeit) dafĂŒr, die Sitzung auf diesen Freitag (Ortszeit/18.00 Uhr MEZ) zu vertagen. Der republikanische Kandidat Kevin McCarthy ist wegen einer parteiinternen Rebellion in den vergangenen Tagen bereits in insgesamt elf WahlgĂ€ngen durchgefallen. Das Wahldrama lĂ€hmt den Kongress und ist fĂŒr den 57-JĂ€hrigen eine historische Blamage.

Die Republikaner haben in der Kammer nur eine ganz knappe Mehrheit. Daher brĂ€uchte McCarthy fast alle Stimmen seiner Parteikollegen, um auf den mĂ€chtigen Posten gewĂ€hlt zu werden, der in der staatlichen Rangfolge in den USA auf Rang drei nach dem PrĂ€sidenten und dessen Vize folgt. Doch diverse Republikaner vom rechten Rand der Fraktion verweigerten McCarthy die UnterstĂŒtzung. Dadurch erreichte er nicht die nötige Zahl an Stimmen.

Trotz immer neuer ZugestĂ€ndnisse McCarthys an seine Gegner sind diese bislang hart geblieben in ihrem Widerstand. Am Donnerstag stimmten wie schon zuvor 20 Republikaner hartnĂ€ckig fĂŒr alternative Kandidaten aus ihrer Partei, stellten McCarthy damit bloss und versagten ihm einen Wahlsieg. Eine weitere republikanische Abgeordnete enthielt sich. Eine Lösung fĂŒr die verfahrene Situation ist bislang nicht in Sicht – trotz angestrengter Verhandlungen hinter den Kulissen.

McCarthy sagte am Donnerstagabend nach der Sitzung: „Wir machen gute Fortschritte.“ Konkreter wurde er nicht. Der republikanische Fraktionschef bemĂŒhte sich einmal mehr, die interne Revolte gegen ihn kleinzureden und wies zurĂŒck, dass ihn der Aufstand in den eigenen Reihen schwĂ€che. Mit Blick auf das historische Ausmass des Dramas sagte er: „Ich mag es, Geschichte zu schreiben.“ Er halte schliesslich auch schon den Rekord fĂŒr die lĂ€ngste Rede im ReprĂ€sentantenhaus.

Die aktuelle Abstimmung ĂŒber den Spitzenposten gehört bereits jetzt zu den lĂ€ngsten in der US-Geschichte. Seit dem 19. Jahrhundert haben die Abgeordneten im ReprĂ€sentantenhaus nicht mehr so viele AnlĂ€ufe gebraucht, um einen neuen Vorsitzenden zu wĂ€hlen wie derzeit. Mehr WahlgĂ€nge gab es zuletzt nur 1859/1860. Damals wurde der Republikaner William Pennington erst im 44. Wahlgang zum Vorsitzenden der Kongresskammer gewĂ€hlt. Das Prozedere dauerte damals mehrere Wochen.

Wie lange das Gezerre diesmal andauern wird, ist völlig unklar. Es zieht sich bereits seit Dienstag hin: Das ReprĂ€sentantenhaus war da zu seiner konstituierenden Sitzung nach der Parlamentswahl im November zusammengekommen. Die Republikaner ĂŒbernahmen wieder die Kontrolle in der Kongresskammer, wenn auch nur mit ganz knapper Mehrheit. Doch anstatt ihre neue politische StĂ€rke zu demonstrieren, stĂŒrzte die Partei die Kammer in Chaos und brachte die Arbeit des Parlaments zum Stillstand. Denn bis der Vorsitz geklĂ€rt ist, geht im ReprĂ€sentantenhaus gar nichts: Die Kammer kann ihre Arbeit nicht aufnehmen. Nicht mal die bei neuen Abgeordneten können vereidigt werden. An gesetzgeberische Arbeit ist erst gar nicht zu denken.

Die chaotischen ZustÀnde in der amerikanischen Demokratie fallen ausgerechnet in eine Zeit, in der das Land an die beispiellose Attacke auf das US-Kapitol erinnert. Der brutale Angriff auf den Parlamentssitz jÀhrt sich an diesem Freitag zum zweiten Mal.

AnhĂ€nger des damaligen PrĂ€sidenten Donald Trump hatten am 6. Januar 2021 gewaltsam das KongressgebĂ€ude in der Hauptstadt Washington erstĂŒrmt. Dort war der Kongress damals zusammengekommen, um den Sieg des Demokraten Biden bei der PrĂ€sidentenwahl formal zu bestĂ€tigen. Trump hatte seine AnhĂ€nger zuvor bei einer Rede damit aufgewiegelt, er sei durch massiven Wahlbetrug um einen Sieg gebracht worden. Als Folge der Krawalle kamen fĂŒnf Menschen ums Leben.

PrĂ€sident Biden, der kurz nach der Attacke sein Amt antrat, will an diesem Freitag bei einer Zeremonie im Weissen Haus an den Gewaltausbruch erinnern und mehrere Polizisten fĂŒr ihren Einsatz an jenem Tag auszeichnen. Biden hatte das Wahldrama im Kongress am Mittwoch als „peinlich“ fĂŒr das Land bezeichnet. Dabei verwies er auch darauf, dass die Vereinigten Staaten gerade erst das Chaos vom 6. Januar 2021 verarbeitet hĂ€tten und die US-Demokratie vor den Augen der Welt nun erneut „kein gutes Bild“ abgebe.

(text:sda/bild:unsplash)