27 Februar 2022

Bundesrat diskutiert über schärfere Russland-Sanktionen

Der Bundesrat wird am Montag über eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland beraten. Das hat Justizministerin Karin Keller-Sutter am Sonntag in Brüssel vor einem EU-Ministertreffen angekündigt. Der Druck auf den Bundesrat, entsprechend zu reagieren, war über das Wochenende gestiegen.

Die Massnahmen gegen Russland müssten verschärft werden, sagte Keller-Sutter vor Journalisten. Die Bundesverwaltung bereitete demnach am Sonntag verschiedene mögliche Massnahmen vor. Details nannte die Justizministerin nicht. Sie könne den Diskussionen im Bundesrat am Montag nicht vorgreifen.

An Kundgebungen in verschiedenen Schweizer Städten war der Bundesrat kritisiert worden, weil er die EU-Sanktionen nicht vollumfänglich mittragen wolle. In Bern, wo nach Angaben der Organisatoren am Samstag 20’000 Menschen zusammenkamen, setzte es deswegen Pfiffe ab.

„Es ist verantwortungslos, dass der Bundesrat die Milliarden in russischem Besitz nicht sofort einfriert“, sagte SP-Co-Präsident Cédric Wermuth. Scharfe Sanktionen wie den Importstopp von russischem Gas und Öl und den Ausschluss Russlands aus dem Zahlungssystem Swift forderte der Grünen-Chef Balthasar Glättli.

Auf politischer Ebene war der Druck auf Bern bereits am Freitag gestiegen. Die EU erwarte, dass andere Staaten den EU-Sanktionen gegen Russland folgen oder ihre Sanktionen angleichen, hielt ein Sprecher in Brüssel fest. Dabei nannte er auch explizit die Schweiz.

Auch die Mehrheit der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates forderte schärfere Sanktionen. Als wichtiger Finanzplatz für russische Unternehmen müsse die Schweiz Verantwortung übernehmen. Auch sämtliche Parteien mit Ausnahme der SVP befürworteten zuletzt strenge Sanktionen gegen Russland.

Am Samstag hatte Bundespräsident Ignazio Cassis in einem Telefongespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die Solidarität der Schweiz ausgedrückt. „Die Schweiz verurteilt die russische Militärintervention aufs Schärfste“, sagte er.

Auch Justizministerin Keller-Sutter bekräftigte vor dem Sondertreffen der EU-Innenminister in Brüssel am Sonntag, dass die Schweiz sich mit den Menschen und ihren Familien in der Ukraine solidarisch zeigen werde. Die Situation erinnere sie an den Einmarsch 1956 der Sowjets in Ungarn und 1968 in die Tschechoslowakei. Die Schweiz werde sich daran beteiligen, wenn es darum gehe, „eine gesamteuropäische Lösung“ zu finden.

Vor „Beeinflussungsaktionen“ durch Russland, die eine Gefahr für die Meinungsbildung seien, warnte Verteidigungsministerin Viola Amherd in einem Interview mit der „NZZ am Sonntag“. Man sehe auf Twitter, Facebook und in den Kommentarspalten von Online-Zeitungen derzeit sehr viele prorussische Kommentare, sagte Amherd.

Und: „Nicht alle stammen aus der Feder von normalen Bürgerinnen und Bürgern, sondern sie wurden wahrscheinlich gesteuert.“ Der Nachrichtendienst beobachte diese Entwicklung aufmerksam.

Angriffe im virtuellen Raum sind laut der Bundesrätin im Moment die offensichtlichste Gefahr, die für die Schweiz von Russland ausgeht. „In der derzeitigen Krisensituation geht es vorerst darum, dass sich die Schweiz gegen Cyberattacken schützt“, so Amherd. Zudem überwache die Luftwaffe den Luftraum und garantiere die Einhaltung der Neutralität.

Wegen des russischen Einmarsches in der Ukraine haben zahlreiche europäische Länder ihre Flughäfen und ihren Luftraum für russische Maschinen gesperrt.

Nachdem in den Vortagen bereits Grossbritannien und Polen entsprechend reagiert hatten, verhängten am Sonntag ab 15 Uhr unter anderem auch Deutschland, Österreich und Italien entsprechende Verbote. Frankreich kündigte als letztes Nachbarland der Schweiz die Sperrung des Luftraumes für den Abend an. Damit bleibt auch die Schweiz für russische Flugzeuge unerreichbar.

Während etwa die Swiss-Muttergesellschaft Lufthansa und deren Tochter Austrian Airlines den russischen Luftraum nicht mehr nutzen wollen, flog die Swiss am Sonntag vorerst weiterhin nach und über Russland.

Verschiedene Bahngesellschaften ermöglichten derweil ukrainischen Flüchtlingen die Weiterfahrt von der Grenze. So lässt seit Sonntag die Deutsche Bahn Personen mit ukrainischem Pass in Fernzügen aus Polen gratis reisen. Die SBB prüfen, ob sie ähnlich verfahren wollen.

(text:sda/bild:beo)