Bundespräsident Cassis plädiert für einen starken Europarat
Bundespräsident Ignazio Cassis hat sich in einer Rede vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarates für eine Stärkung der Organisation ausgesprochen. Es ist seit gut 30 Jahren der erste Besuch eines Bundespräsidenten. Zum letzten Mal war Flavio Cotti im Jahr 1991 beim Europarat in Strassburg.
Damals habe Europa in eine vielversprechende Zukunft geblickt: ohne eiserner Vorhang, mit einem Vereinigtes Deutschland und dem Ende des kalten Krieges, sagte Bundespräsident Cassis laut Redetext am Montagnachmittag vor rund 600 Abgeordneten der Parlamentarischen Versammlung in Strassburg.
Heute, gut 30 Jahre später seien Enthusiasmus und Vertrauen kaum mehr vorhanden. Vielmehr stellten die aktuellen Krisen unserer Freiheit und unsere Werte in Frage und liessen die Solidarität bröckeln, sagte Cassis weiter.
Angesichts von Russlands Angriffs auf die Ukraine und die damit verbundenen Verletzungen des Völkerrechts sei „Solidarität jedoch so wichtig wie noch nie“. Denn die demokratischen Werte Europas seien bedroht.
Auch den Multilateralismus, der vor allem für kleinere Staaten wie die Schweiz wichtig sei, sieht Cassis in Gefahr. Denn gerade sie benötigten „starke multilaterale Institutionen“.
Angesichts der aktuellen Situation stünden der Europarat und seine 46 Mitglieder vor grossen Herausforderungen. Cassis sprach von einem Schlüsselmoment
Er unterstütze daher den Vorschlag eines Gipfeltreffens, um über die Zukunft des Europarates und dessen Ausrichtung zu diskutiere. „In diesem entscheidenden Moment müssen wir zusammen dem Europarat eine neue, ehrgeizige Ausrichtung geben“, sagte der Bundespräsident.
Cassis betonte in diesem Zusammenhang etwa die Förderung der Demokratie, des Rechtsstaates und des Friedens. Er hoffe auf einen gemeinsamen Erfolg. Denn „der Europarat spielt eine wichtige Rolle für die Schweiz“.
Die Rede von Bundespräsident Ignazio Cassis läutet den Beginn der viertägigen Vollversammlung der parlamentarischen Versammlung des Europarates ein. Am Donnerstag wird eine Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi per Video übertragen werden.
Im weiteren traf sich Bundespräsidenten Cassis unter anderem mit Tiny Kox, dem Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung (PVER), mit der Generalsekretärin des Europarates Marija Pejcinovic Buric und mit dem Präsidenten des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) Robert Ragnar Spano.
Ausserdem eröffnete Cassis die Ausstellung „Shame – European Stories“, die auf das Schicksal von Missbrauchsopfern aufmerksam macht. Eine im Herbst 2021 in Bern lancierte Initiative forderte die europaweite Aufarbeitung des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen.
Als Massstab gilt laut einer Mitteilung des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), wie die Schweiz die Vergangenheit beim Thema Verding- und Heimkinder aufgearbeitet hat.
(text:sda/bild:unsplash)