12 Januar 2024

Drei Strategien zur Förderung von Ökostrom in der Schweiz

Klimaneutralität und Atomausstieg: Die zentralen Ökostromziele der Schweiz sind ehrgeizig. Dennoch sind sie realistisch, wenn die Stromversorgung tiefgreifend und rasch umgestaltet wird, wie eine neue Studie des SWEET EDGE-Konsortiums zeigt. Es hat drei Strategien entwickelt, um den Strombedarf zu decken und dabei mehrere tausend Arbeitsplätze im Bereich erneuerbarer Energien zu schaffen. Das Konsortium vereint Forschende der Universitäten Genf und Bern, EPFL und ETH Zürich sowie weitere Partner.

Das vom Schweizer Parlament am 29. September 2023 bereinigte Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien, kurz Mantelerlass, soll den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen. Sein Ziel sind bis zum Jahr 2035 35 Terawattstunden (TWh) pro Jahr aus grünen Technologien (Sonne, Wind, Holz und Biogas) zu gewinnen. Zum Vergleich: 2022 waren es rund 6 TWh. Das neue Ziel entspräche etwa der Hälfte des für 2035 zu erwartenden Strombedarfs der Schweiz. Die andere Hälfte würde durch Wasserkraft und Importe gedeckt werden. Die Schweiz würde dabei ohne Kernenergie und fossile Grosskraftwerke mit Strom versorgt werden.

Das Forschungskonsortium SWEET EDGE hat verschiedene Möglichkeiten analysiert, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Gefördert vom SWEET-Programm (SWiss Energy research for the Energy Transition) des Bundesamts für Energie (BFE) gehören dem Konsortium Forschende der Universitäten Genf und Bern, der EPFL, der ETH Zürich und weitere Partner an. Sie haben drei Strategien erarbeitet, wie das Ziel von 35 TWh aus Ökostrom bis 2035 erreicht werden kann.
Zudem schloss die Studie weniger ehrgeizige Ziele ein (25 TWh/Jahr mit einem Mix aus erneuerbaren Energien oder nur mit Solarenergie; 17 TWh mit Mix). Auch die technischen, regionalen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Strategien wurden sorgfältig analysiert.

1. Strategie: Fokus auf Vielfalt
Die erste Strategie kombiniert neue Technologien, um Vielfalt und Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Um das Ziel von 35 TWh/Jahr zu erreichen, impliziert sie einen Mix zum Beispiel aus 25 TWh/Jahr aus Photovoltaik, 8 TWh/Jahr aus Biomasse und Abfall und 2 TWh/Jahr aus Wind. «Diese Strategie beinhaltet diskrete Solaranlagen an Fassaden und auf Dächern und würde von der Bevölkerung gut angenommen werden. Für das Ziel von 35 TWh sind Solaranlagen bereits
im ganzen Land zu finden. Nur im sonnigen Tessin und Wallis wären sie noch weiter verbreitet», erklärt Evelina Trutnevyte, Ko-Koordinatorin von SWEET EDGE und Professorin für erneuerbare Energiesysteme an der Universität Genf. Zudem würden Windparks benötigt.

2. Strategie: Fokus auf Photovoltaik-Solaranlagen mit Batterien
Diese Strategie setzt auf Photovoltaikanlagen mit Speicherbatterien für den Eigenverbrauch auf privaten Dächern. Sie erfordert ein aktiveres Engagement der Bürgerinnen und Bürger, hat aber den Vorteil, dass bestimmte weniger akzeptierte Technologien vermieden würden. Beim 35 TWh-Ziel sollte die Solarenergie 31 TWh/Jahr liefern, ergänzt durch 4 TWh/Jahr aus bestehenden Biomasse- und Abfallverbrennungsanlagen. «Es würden Photovoltaikanlagen in den Kantonen
Bern, Zürich und der Zentralschweiz errichtet, wo die Dichte an geeigneten Gebäuden hoch ist und wir aktuell von einer unterstützenden Förderpolitik ausgehen. Graubünden und Wallis müssten viel mehr Anlagen bauen, auch auf Freiflächen», erklärt Giovanni Sansavini, Professor für Reliability and Risk Engineering an der ETH Zürich.

3. Strategie: Fokus auf Produktivität
Diese Strategie konzentriert sich auf die Optimierung der Produktion von Windkraft- und Photovoltaik-Infrastrukturen, einschliesslich Photovoltaik auf Dächern und Freiflächen. Sie bietet den Vorteil, dass sich die Anlagen auf die produktivsten Standorte konzentrieren und Investitionen in Biomasse- und Abfallbehandlungsanlagen vermieden würden. Um 35 TWh/Jahr zu erreichen, erfordert diese Option einen Mix aus 30 TWh/Jahr Photovoltaik und 5 TWh/Jahr Windenergie. «Hier würde sich der grösste Teil der photovoltaischen Solarenergie auf Alpengemeinden
konzentrieren, insbesondere in Graubünden und im Wallis», erklärt Michael Lehning, Ko-Koordinator von SWEET EDGE und Professor an der EPFL. «Diese Option würde den Winterimport am effizientesten begrenzen.»

(text:pd/symbolbild:unsplash)