7 März 2021

Ja zum Verhüllungsverbot – Tourismusgemeinden sagten Nein

Gleich mehrere Gemeinden, die viele Touristen aus dem Nahen- und Mittleren Osten verzeichnen, haben am Sonntag die Volksinitiative „Ja zum Verhüllungsverbot“ abgelehnt.

In der Deutschschweiz sind vor allem Interlaken (BE) und Luzern bei Gästen aus dem Mittleren und Nahen Osten beliebt. Der Tourismusdirektor von Interlaken wollte sich zwar nicht zur Abstimmung in der Öffentlichkeit äussern, aber Schweiz Tourismus warnte mit deutlichen Worten vor einem Fernbleiben der arabischen Gäste. Die Gemeinde Interlaken lehnte am Sonntag nun das Verhüllungsverbot ab. Der Entscheid fiel mit 868 Nein- zu 792 Ja-Stimmen allerdings knapp aus.

Auch eine Mehrheit der Stimmenden in der Stadt Luzern sprach sich gegen das Verhüllungsverbot aus – mit 64,4 Prozent Nein-Stimmen.

Im Kanton Wallis besuchen arabische Gäste vor allem Zermatt. Während der Kanton mit 58,3 Prozent Ja-Stimmen die Initiative annahm, lehnte die Gemeinde Zermatt das Verhüllungsverbot mit 53,4 Prozent Nein-Stimmen ab. Noch deutlicher sprach sich Monthey (VS) mit 60 Prozent Nein-Stimmen gegen das Verhüllungsverbot aus. Die Stadt Genf mit ihren zahlreichen internationalen Organisationen hat die Volksinitiative mit 55,2 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt.

Die Mehrheit der Stimmberechtigten und Kantone haben dem Verhüllungsverbot zugestimmt. „Das ist ein gescheiter Entscheid des Schweizer Volkes“, sagte Komitee-Präsident Walter Wobmann (NR/SO) der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Jetzt könne die Schweiz klare Regeln aufstellen, damit die Leute wüssten, dass man in der Schweiz das Gesicht in der Öffentlichkeit zeige. Mit Symbolpolitik habe das nichts zu tun. Das Verbot richte sich auch gegen Chaoten und Hooligans.

Für SVP-Parteipräsident Marco Chiesa (SR/TI) ist die Zustimmung zur Volksinitiative über das Verhüllungsverbot ein klares Zeichen gegen den radikalen Islam, gegen vermummte Chaoten und für das friedliche Zusammenleben der Menschen in der Schweiz. Auch für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sei ein Verhüllungsverbot akzeptabel.

Das Nein-Komitee hätte sich zwar über ein Nein gefreut, sagte Co-Präsident und FDP-Nationalrat Andrea Caroni. Aber er sei „extrem frohgemut“ über das schlechte Resultat der Initiative. Im Vergleich zur Minarett-Initiative mit ihrem Ja-Anteil von 58 Prozent sei sie massiv eingebrochen. „Ich bin froh über diesen steil abfallenden Trend.“

Man habe noch einmal sorglos den Unmut über den radikalen Islam ausdrücken können, sagte Caroni. Aber es sei eine Scheinlösung, es werde nichts passieren, erklärte der FDP-Ständerat aus dem Kanton Ausserrhoden.

Es sei auch ein schlechtes Signal an die muslimische Gemeinschaft, teilten die SP Frauen mit. Ein Ja zur Initiative löse keine wirklichen Probleme wie Sexismus, Rassismus oder Gewalt. Man müsse aufhören, den Frauen Kleidervorschriften zu machen, sagte Co-Präsidentin und Nationalrätin Tamara Funiciello (SP/BE).

Er nehme die SVP beim Wort, sagte SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (NR/AG). Er warte gespannt auf ihre Beiträge, wenn es um echte Lösungen gehe wie die Finanzierung von Frauenhäusern oder mehr Geld für die Gleichstellung. Zudem werde ein Verhüllungsverbot keinen Prediger von Hassreden abhalten.

Die Operation Libero sprach davon, die Schweiz sei zurück „im Schwitzkasten der SVP und des islamophoben Egerkinger Komitees“. Die Bewegung geht von weiteren Angriffen auf die liberale Verfassung der Schweiz aus. Der knappe Entscheid zeige jedoch, dass der Widerstand gegen die „populistische Stimmungsmache auf Kosten von Minderheiten“ wachse.