10 Februar 2023

Moskau antwortet auf EU-Hilfe mit schweren Luftangriffen

Nur wenige Stunden nach neuen Hilfszusagen der EU für die Ukraine hat Russland das Land wieder massiv mit Drohnen und Raketen angegriffen.

„Die Okkupanten haben Schläge gegen die kritische Infrastruktur geführt“, berichtete der Militärgouverneur von Charkiw, Oleh Synehubow, am Freitag. 150 000 Haushalte seien ohne Strom. Auch aus anderen Regionen wurden Einschläge gemeldet. Am Morgen heulten im ganzen Land wieder die Sirenen. Viele Menschen mussten wieder in Schutzräumen Zuflucht suchen. Die Ukraine fürchtet neue russische Offensiven zum ersten Jahrestag des Kriegsbeginns am 24. Februar.

Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete die abermaligen Raketenangriffe auch als „Herausforderung für die Nato“. Nach seinem Besuch beim EU-Gipfel in Brüssel bat er die westliche Militärallianz um Hilfe. „Das ist Terror, den man stoppen kann und muss“, sagte er in einer Videobotschaft. Selenskyj verwies darauf, dass bei den Angriffen russische Raketen auch durch den Luftraum Rumäniens geflogen seien. Das Verteidigungsministerium in Bukarest bestritt dies jedoch. Rumänien gehört sowohl der EU als auch der Nato an.

Seit dem Herbst zerstört Russland in der Ukraine systematisch zivile Infrastruktur. Kyjiw fordert vom Westen nach dessen Zusage zur Lieferung von Kampfpanzern auch Kampfjets und andere moderne Waffen. Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten hatten bei ihrem Gipfel mit Selenskyj ein klares Bekenntnis zu weiterer Hilfe abgegeben. „Die Europäische Union wird der Ukraine solange wie nötig mit tatkräftiger Unterstützung zur Seite stehen“, hiess es in einer Erklärung. Zudem sei man bereit, die Sanktionen gegen Russland weiter zu verschärfen.

Allein in der umkämpften Region Saporischschja im Süden der Ukraine schlugen ukrainischen Angaben zufolge innerhalb einer Stunde 17 Geschosse ein. „Das ist die grösste Anzahl seit Beginn der Invasion“, teilte der Sekretär des Stadtrats, Anatolij Kurtjew, mit. Explosionen waren in der Nacht auch in der Millionenstadt Dnipro und im Gebiet Winnyzja zu hören. Nach Angaben des Leiters der Gebietsverwaltung von Dnipropetrowsk, Serhyj Lysak, stammten die Explosionen von der ukrainischen Flugabwehr. Diese habe alle einfliegenden Drohnen abgefangen. In der Industriestadt Krywyj Rih sei jedoch eine Rakete in eine Anlage der Energieversorgung eingeschlagen. „Dort gibt es ernsthafte Schäden“, sagte Lysak.

Zwei russische Raketen einer Angriffswelle sollen nach Angaben von Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj vom Schwarzen Meer kommend sowohl über Moldau als auch über Rumänien geflogen sein. Moldau hat den Überflug bestätigt, Rumänien dementiert. Das Verteidigungsministerium in Bukarest erklärte, die Raketen seien in 35 Kilometer Entfernung von der rumänischen Grenze über das Gebiet des Nachbarlands Moldau geflogen. Das dortige Aussenministerium bestellte deshalb den russischen Botschafter ein.

Der Berater im ukrainischen Präsidentenbüro, Mychajlo Podoljak, forderte unter dem Eindruck der neuen Angriffe weitreichende Raketen, Kampfjets und logistische Unterstützung. „Russland hat es auf massenhafte Zerstörung und Tod abgesehen“, schrieb er auf Twitter. Nur schnelle Hilfe könne den „Völkermord“ stoppen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schloss beim Gipfel in Brüssel Kampfjet-Lieferungen an die Ukraine zwar nicht grundsätzlich aus – diese wäre aber „auf keinen Fall in den kommenden Wochen“ möglich.

(text:sda/bild:keystone)