22 Februar 2021

Lohnunterschiede zwischen Geschlechtern haben leicht zugenommen

Frauen haben auf dem Schweizer Arbeitsmarkt im Jahr 2018 auch zwei Jahre nach der letzten Erhebung noch immer deutlich weniger verdient als MÀnner. Der Lohnunterschied betrug durchschnittlich 19 Prozent, wovon sich fast die HÀlfte nicht mit Faktoren wie Bildungsgrad oder Dienstalter erklÀren lÀsst.

Ein Teil der Lohnunterschiede lĂ€sst sich durch Faktoren wie Alter, Ausbildung, Dienstjahre oder durch den TĂ€tigkeitsbereich oder die Stelle erklĂ€ren. Der andere Teil, der laut einer am Montag veröffentlichten Erhebung vom Bundesamt fĂŒr Statistik (BFS) 45,5 Prozent des Lohnunterschiedes ausmacht, bleibt hingegen unerklĂ€rt. Das ist gegenĂŒber 2016 eine Steigerung um 4,4 Prozentpunkte und kann so interpretiert werden, dass MĂ€nner im Schnitt 8,6 Prozent mehr verdienen als Frauen, einfach weil sie MĂ€nner sind.

Im öffentlichen Sektor, also bei Angestellten von Bund, Kantonen oder Gemeinden, nahm die Lohndifferenz zwischen den Geschlechtern zu. Sie belief sich 2018 auf 18,1 Prozent. Bei der Erhebung zwei Jahre vorher hatte sie noch 16,7 Prozent betragen. In der Privatwirtschaft blieb die Lohndifferenz gegenĂŒber 2016 zwar unverĂ€ndert, lag mit 19,6 Prozent aber nochmals ein StĂŒck höher als im öffentlichen Sektor.

Es gab aber den Angaben zufolge grosse Unterschiede zwischen den Branchen: In der Banken- und Versicherungsbranche beispielsweise verdienten Frauen im Schnitt gut ein Drittel weniger als ihre mÀnnlichen Kollegen. Davon sind laut der Erhebung allerdings nur 30,8 Prozent unerklÀrt.

Im Gastgewerbe auf der anderen Seite war der Lohnunterschied mit 8,1 Prozent weitaus geringer. Davon ist aber mit 48,7 Prozent fast die HÀlfte unerklÀrt. Noch höher fÀllt der unerklÀrte Unterschied im Detailhandel aus: Dort betrÀgt er 57,4 Prozent des Lohnunterschieds oder 624 Franken. Und auch in der Maschinenindustrie ist mit 53,5 Prozent oder 931 Franken mehr als die HÀlfte des Lohnunterschieds nicht durch strukturelle Faktoren zu erklÀren.

Laut dem BFS fÀllt zudem auf, dass der unerklÀrte Anteil der Lohnunterschiede in kleineren Unternehmen ausgeprÀgter ist. Bei Unternehmen mit weniger als 20 Angestellten betrug er 2018 57,5 Prozent. Bei grösseren Firmen mit mindestens 1000 Angestellten lag er bei 31,5 Prozent. Zudem war er in tiefen Hierarchiestufen mit 75,9 Prozent deutlich grösser als in oberen Kaderpositionen, wo er noch 45,1 Prozent betrug.

Der prozentuale Anteil der Frauen in den untersten Lohnstufen nahm zwischen 2016 und 2018 etwas ab. 2018 waren in der Gesamtwirtschaft 60,9 Prozent der Arbeitnehmenden mit einem monatlichen Bruttolohn von unter 4000 Franken fĂŒr eine Vollzeitstelle Frauen. Zwei Jahre zuvor waren es noch 63,2 Prozent gewesen.

An der Spitze der Lohnpyramide waren 81,2 der Arbeitnehmenden mit einem Monatslohn von ĂŒber 16’000 Franken mĂ€nnlich.

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund zeigt sich in einer Mitteilung enttĂ€uscht von den veröffentlichten Zahlen. „Diese Entwicklung muss dringend gestoppt und umgekehrt werden“, so der Verband. AuffĂ€llig sei, dass der Lohnunterschied, der sich mit Faktoren wie Ausbildung, Berufserfahrung und Hierarchiestufen erklĂ€ren lĂ€sst, zwischen 2014 und 2018 etwa gleich gross geblieben, aber die Lohndiskriminierung gestiegen sei.

Doch auch der auf erklĂ€rbare Faktoren zurĂŒckfĂŒhrbare Lohnunterschied ist dem Verband zufolge mit 10 Prozent zu gross. Denn auch er beruhe auf diskriminierenden Strukturen im Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft: Frauen wĂŒrden oft in Berufen arbeiten, die nicht ihrem Wert entsprechend entlöhnt seien und hĂ€tten oft weniger Chancen auf einen Karriereaufstieg. Ausserdem leisteten sie den grösseren Teil der unbezahlten Arbeit.

Der SGB pocht deshalb auf die Pflicht der Unternehmen, im Rahmen des Gleichstellungsgesetzes ihre Lohnsysteme mit den Sozialpartnern auf Diskriminierung zu analysieren und diskriminierende Löhne umgehend anzupassen. Ab dem kommenden Sommer mĂŒssen grosse Firmen mit ĂŒber 100 Mitarbeitenden nĂ€mlich eine Lohngleichheitsanalyse durchfĂŒhren. Das Gesetz sieht allerdings vorerst keine Sanktionen vor fĂŒr Unternehmen, bei denen Ungleichheit festgestellt wird.

Grössere Lohnunterschiede sind eher erklÀrbar

Pyramide wird etwas steiler

„Entwicklung muss umgekehrt werden“