20 Oktober 2021

Erste Automobilzulieferer mit Kurzarbeit oder kurz davor

Die wegen des globalen Chipmangels ins Stottern geratene Automobilproduktion hinterlässt in der Schweiz zunehmend Spuren. Erste Autozulieferer haben mittlerweile Kurzarbeit eingeführt. Andere ziehen diesen Schritt in Erwägung.

Weltweit sind Halbleiter derzeit knapp, und der von den Chipfertigern für hohe Milliardensummen angestossene Aufbau neuer Kapazitäten gestaltet sich langwierig. Die Knappheit weiterer Ressourcen wie Harz und Stahl belastet die Autoindustrie zusätzlich. In der Folge haben viele grosse Autohersteller ihre Produktion herunterfahren müssen.

Allein wegen der fehlenden Halbleiter dürften der Branche dieses Jahr Einnahmen in Höhe von 210 Milliarden US-Dollar entgehen, prognostizierte die Beratungsfirma Alix Partners jüngst in einer Studie. Andere Schätzungen gehen von einer Auto-Minderproduktion zwischen 9 und 11 Millionen Stück aus.

Umsatzeinbussen lassen sich also auch bei Schweizer Zulieferern nicht verhindern. Die in der Komponentenfertigung und im Baubedarfshandel tätige SFS-Gruppe mit Sitz in Heerbrugg im Rheintal erwirtschaftete im ersten Semester knapp einen Viertel des Umsatzes von rund 960 Millionen Franken im Kundensegment Automotive. „Wir sind vom Chipmangel nicht direkt betroffen, aber über unsere Kunden“, sagte ein Sprecher gegenüber AWP.

Die Kunden würden wegen der geringeren Produktion weniger Produkte bei SFS abrufen, was natürlich auch den Umsatz beeinträchtige, so der Sprecher weiter. SFS habe deshalb im September im Werk in Heerbrugg Kurzarbeit eingeführt, allerdings nur für die Mitarbeiter im Bereich Automotive.

Auch Feintool und der 100-prozentige Autozulieferer Autoneum, der etwa auf die Herstellung von Wärme und Schall dämpfenden Unterbodenelementen spezialisiert ist, haben bereits Kurzarbeit eingeführt. „Am Schweizer Produktionsstandort in Sevelen befinden sich die Mitarbeitenden seit Oktober in Kurzarbeit“, erklärte gegenüber AWP eine Sprecherin von Autoneum.

Die Werke von Autoneum seien indes – abhängig von den Lieferabrufen der jeweiligen Kunden – unterschiedlich stark von der aktuellen Marktentwicklung infolge des Halbleitermangels betroffen. Autoneum reagiere, wo notwendig, im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten mit flexiblen Massnahmen wie beispielsweise der Reduktion von Leiharbeitskräften, dem Abbau von Urlaub und Gleitzeitguthaben oder eben Kurzarbeit.

Bei Feintool sind gemäss Aussagen einer Sprecherin die Abrufe von Kunden „äusserst kurzfristig“ geworden, was die Voraussehbarkeit im Vergleich zum ersten Semester sehr erschwere. In einzelnen Werken in Deutschland und der Schweiz herrsche deshalb seit dem dritten Quartal Kurzarbeit. „Andererseits ist beispielsweise die Prototypen-Entwicklungen mit Schwerpunkt e-Mobilität sehr gut ausgelastet und nicht davon betroffen.“

Georg Fischer (GF) zieht Kurzarbeit zumindest in Erwägung. Mit einem Jahresumsatz von zuletzt 3,2 Milliarden Franken gehört GF zu den grösseren Industrieunternehmen in der Schweiz und blickt am Standort Schaffhausen auf eine lange Tradition zurück. Nach einem Umbau in den vergangenen Jahren hat das Unternehmen die Abhängigkeit vom Automobilsektor reduziert, der Anteil liegt aber noch immer bei rund einem Viertel.

„GF ist nur zum Teil im Autozulieferergeschäft tätig, primär ist ein Teil des Geschäfts von GF Casting Solutions betroffen“, liess ein Sprecher wissen. Der andauernde Mangel an Halbleitern führe zu erhöhter Volatilität bei Kundenabrufen in allen Werken von GF Casting Solutions in der EU, China und in den USA. Und die Abrufe der Hersteller erfolgten auf einem tieferen Niveau und kurzfristiger als in der Vergangenheit. „Verlässliche Aussagen zu den Auswirkungen auf den Geschäftsgang sind aus heutiger Sicht nicht möglich. Kurzarbeit an verschiedenen Standorten wird derzeit geprüft“, fügte er an.

Auch Lem, ein in der Westschweiz beheimateter Hersteller von Elektronikkomponenten, hat im Geschäftsjahr 2020/21 (per Ende März) rund einen Viertel seines Konzernumsatzes von gut 300 Millionen Franken, also 75 Millionen, mit der Division Automotive erzielt. Der Grossteil davon entfällt auf Teile für das Batteriemanagement, Lem liefert aber auch Teile für die Motorkontrolle und für Ladegeräte.

Lem-Finanzchef Andrea Borla liess auf schriftliche Anfrage von AWP verlauten, dass Lem von den Produktionskürzungen im Automobilsektor betroffen sei und dass es auch zu Umsatzeinbussen komme. Zur Höhe dieser Ausfälle machte er allerdings keine Angaben. Kurzarbeit stehe deswegen bei Lem aber nicht zur Debatte.

Bei Adval Tech hält man sich diese Tür zumindest offen. Beim Spezialisten für Komponenten und Baugruppen aus Metall und aus Kunststoff hiess es, dass man als Publikumsgesellschaft zwar keine Prognosen kommunizieren könne, dass es aber eine Tatsache sei, dass wegen der Produktionskürzungen weniger Bedarf seitens der Kunden bestehe. Die Option Kurzarbeit halte man sich offen, sofern dies die lokalen Gesetzte erlaubten. Zuerst sollen aber alle anderen Massnahmen wie der Abbau von Überzeit- und Ferienguthaben realisiert werden.

Wie Finanzchef Borla von Lem rechnen die meisten der angefragten Unternehmen mit einer Entspannung in den Lieferketten eher erst gegen Ende 2022 oder gar erst im Jahr 2023.

Der ebenfalls angesprochene Komponentenhersteller Schaffner hat Ende September das Geschäftsjahr 2020/21 abgeschlossen und will sich dazu bis zur Bilanzmedienkonferenz vom 7. Dezember nicht äussern. Das gleiche gilt für die Industriegruppe Huber+Suhner, welche am Donnerstag dieser Woche die Zahlen zum dritten Quartal vorlegen wird.

(text:sda/bild:unsplash)