3 März 2021

Eklat bei Europas Christdemokraten: Orbans Fidesz verlässt Fraktion

Nach jahrelangem Streit vollzieht Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban den Bruch mit der Europäischen Volkspartei im Europaparlament.

Orban zog die zwölf Abgeordneten seiner Regierungspartei Fidesz am Mittwoch aus der christdemokratischen Gruppe im Parlament ab. Zuvor hatte eine grosse Mehrheit der Fraktion für eine Änderung der Geschäftsordnung gestimmt, die die Suspendierung des Fidesz erlaubt hätte. Orban sah dies als Affront.

Hintergrund ist die Auseinandersetzung über EU-Grundwerte und Rechtsstaatlichkeit. Der rechtsnationale Orban steht wegen seines Plans einer „illiberalen“ Demokratie in der Kritik. Konkret geht es unter anderem um seine Flüchtlings-, Medien-, Hochschul- und Justizpolitik. Gegen Ungarn läuft unter anderem ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge.

Orban schrieb nach der Abstimmung über die Geschäftsordnung an EVP-Fraktionschef Manfred Weber: „Ich informiere Sie hiermit, dass die Fidesz-Europaabgeordneten ihre Mitgliedschaft in der EVP-Fraktion beenden.“ Die Regeländerungen der EVP seien klar feindlich gegen den Fidesz und deren Wähler gerichtet. Dass gewählte Abgeordnete an der Ausübung ihrer Pflicht gehindert werden sollten, sei antidemokratisch, ungerecht und unakzeptabel. Den Brief veröffentlichte Fidesz-Vizechefin Katalin Novak auf Twitter.

Die Beendigung der Fidesz-Mitgliedschaft in der EVP-Fraktion folgt auf jahrelangen Streit in mit der Parteienfamilie. Auf Parteiebene ist die Mitgliedschaft des Fidesz in der EVP bereits seit 2019 suspendiert, schon damals wegen mutmasslicher Verstösse gegen EU-Grundwerte sowie wegen Verbalattacken gegen den damaligen EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Ob Orban den Fidesz auch aus der Partei herausführt, ist offen.

Der nun vollzogene Bruch bedeutet auch eine Zäsur für EVP-Fraktionschef Weber, der lange zu vermitteln versuchte, zuletzt aber in scharfen Konflikt mit Orban geriet. Weber hatte unmittelbar vor der Entscheidung der Fraktion über die Geschäftsordnung noch einmal an Orban geschrieben und ihm ein Telefonat vorgeschlagen. In dem Brief erinnerte Weber daran, dass die Änderung der Geschäftsordnung noch keine unmittelbare Auswirkung auf irgendein Mitglied der EVP-Fraktion habe oder die Grundrechte von Abgeordneten einschränken würde.

Nach der Entscheidung Orbans warf Weber Fidesz eine Abkehr von christdemokratischen Grundwerten vor. Die Partei stehe nicht länger auf derselben Grundlage wie die christdemokratischen Gründerväter, sagte der deutsche Politiker am Mittwoch. „Es ist der Fidesz, der sich abgewandt hat.“ Er bedauere die Entscheidung. „Dies ist kein Tag, wo ich sagen könnte, ich wäre glücklich, über das, was passiert ist“, sagte er. Gut sei jedoch die geschlossene Haltung der EVP-Fraktion bei der Änderung der Geschäftsordnung. „Von heute an sind die Dinge klarer“, sagte Weber.

Denkbar wäre in weiterer Folge ein Wechsel der Fidesz-Abgeordneten zur rechtsnationalen EKR oder zur noch weiter rechts stehenden Gruppe ID im Parlament. Für die ID-Fraktion schrieb der Chef der rechtspopulistischen deutschen AfD, Jörg Meuthen, am Mittwoch in einer Pressemitteilung: „Orban ist bei uns willkommen!“ Beides würde die Rechte im Europaparlament stärken. Die EVP bliebe aber stärkste Fraktion.

Orban hatte bereits am Sonntag in einem Brief an Weber gedroht, die Fidesz-Abgeordneten aus der Fraktion zurückzuziehen, falls die Fraktion die Änderung der Geschäftsordnung billigen sollte. Seine Kritiker in der EVP-Fraktion betonten aber in der Debatte, von dieser Drohung solle man sich nicht einschüchtern lassen. Letztlich stimmten gut 84 Prozent der Teilnehmer für die neue Geschäftsordnung.