29 April 2022

Doch nicht so viele illegale BerghĂĽtten

Der Vorwurf, wonach zahlreiche Alphütten im Verwaltungskreis Interlaken-Oberhasli illegal umgenutzt und ausgebaut worden seien, hat sich bei weitem nicht erhärtet. Zu diesem Schluss kommt der Regierungsstatthalter Interlaken-Oberhasli in einem Zwischenbericht. Die Gemeindebaupolizeibehörden haben ihre Aufgaben korrekt wahrgenommen. Deshalb besteht zurzeit kein aufsichtsrechtlicher Handlungsbedarf.

Im März 2021 berichtete die Zeitung «Blick» in einer Artikelserie über «luxuriös ausgebaute Alphütten» und «Traumhäuser», die ganzjährig vermietet würden, für die jedoch vielfach eine Bewilligung fehle. Die Gemeinde Grindelwald «vertusche» die Existenz von ganzjährig vermieteten Alphütten durch falsche Einträge im Eidgenössischen Gebäude- und Wohnungsregister. In Brienz und Lütschental würden sogar im roten Gefahrengebiet liegende Alphütten an Feriengäste vermietet.

Der ehemalige Grindelwalder Peter Roth, der zuvor schon mehrfach Vorwürfe gegen die Gemeinde Grindelwald betreffend Anwendung der Erstwohnungsanteilsvorschriften erhoben hatte, wurde in der Berichterstattung des «Blick» ebenfalls erwähnt. Er stellte dem Regierungsrat des Kantons Bern in der Folge eine Liste mit insgesamt 31 Weidhäusern und Alphütten zu, wovon sich 30 im Verwaltungskreis Interlaken-Oberhasli befinden. Peter Roth forderte den Regierungsrat in einem Schreiben auf, eine Untersuchung einzuleiten, zu klären, welche Verfehlungen von Behörden zur illegalen Situation beigetragen hätten, sowie die rechtswidrige Nutzung von Alphütten sofort und nachhaltig zu unterbinden.

Aufgrund der vom «Blick» und von Peter Roth erhobenen Vorwürfe eröffnete der Regierungsstatthalter Interlaken-Oberhasli im Frühjahr 2021 vorsorglich ein aufsichtsrechtliches Baupolizeiverfahren. Parallel dazu nahmen die zuständigen Gemeindebaupolizeibehörden erste Abklärungen vor, besichtigten in denjenigen Fällen, in denen dies angebracht erschien, die Liegenschaften, eröffneten in einzelnen Fällen ein Baupolizeiverfahren und veranlassten die erforderlichen Massnahmen bzw. forderten ein nachträgliches Baugesuch ein. Gestützt auf die ergriffenen Massnahmen teilte der Regierungsrat Peter Roth mit, dass er das Ergebnis der Abklärungen des Regierungsstatthalters und der Gemeindebaupolizeibehörden abwarte, bevor er eine allfällige Untersuchung einleite.

In der Folge sichtete der Regierungsstatthalter die Baubewilligungsakten der Gemeinden und des Amts für Gemeinden und Raumordnung (AGR) zu den fraglichen Liegenschaften. Er klärte gemeinsam mit dem AGR die raumplanungsrechtlichen Fragen. Schliesslich prüfte er im Herbst 2021 gemeinsam mit den Gemeindebaupolizeibehörden, dem zuständigen Bauinspektor des AGR und – soweit erforderlich – mit einem Vertreter der Abteilung Naturgefahren des Kantons Bern, ob Handlungsbedarf bestehe. In denjenigen Fällen, in denen zusätzlicher baupolizeilicher Klärungsbedarf besteht, wurde vereinbart, dass die Gemeindebaupolizeibehörde zusammen mit dem Bauinspektor des AGR bei einer Baukontrolle vor Ort überprüft, ob die Nutzung und der bauliche Zustand den erteilten Baubewilligungen bzw. dem bau- und raumplanungsrechtlichen Besitzstand entsprechen. Da ein grosser Teil der Alphütten und Weidhäuser im Winter nicht zugänglich ist, kann die Überprüfung vor Ort grösstenteils erst im Frühsommer 2022 durchgeführt werden.

Gestützt auf die bisherigen baupolizeilichen Abklärungen, stellt der Regierungsstatthalter fest, dass sich der von «Blick» und Peter Roth erhobene Vorwurf einer flächendeckenden illegalen Umnutzung bzw. baulichen Erweiterung der betroffenen Weidhäuser und Alphütten bei weitem nicht erhärtet hat. In der grossen Mehrheit der Fälle wurde – zum Teil bereits vor längerer Zeit – eine raumplanungsrechtliche Ausnahmebewilligung für die Umnutzung von landwirtschaftlicher zu nichtlandwirtschaftlicher Wohnnutzung erteilt. Einzelne Objekte wurden zudem bereits vor 1972 zu Ferienzwecken genutzt. Gemäss der Beurteilung des AGR berechtigt eine Ausnahmebewilligung für nichtlandwirtschaftliche Wohnnutzung die Eigentümer nicht bloss dazu, das Weidhaus für sich selber zu Ferienzwecken zu nutzen. Vielmehr ist in solchen Fällen auch die Vermietung an Dritte zulässig, so lange der temporäre – in der Regel auf die Sommermonate beschränkte – Charakter der Nutzung erhalten bleibt.

In den Fällen, in denen nicht bereits ein nachträgliches Baubewilligungsverfahren oder ein Baupolizeiverfahren hängig ist und in denen baupolizeilicher Klärungsbedarf besteht, werden die Gemeindepolizeibehörden – gestützt auf ergänzende Abklärungen – gegebenenfalls ein Baupolizeiverfahren eröffnen und anschliessend soweit nötig die Wiederherstellung verfügen. Der Regierungsstatthalter stellt fest, dass sich die Gemeindebaupolizeibehörden ernsthaft darum bemühen, ihre anspruchsvollen gesetzlichen Aufgaben korrekt wahrzunehmen. Für ihn besteht deshalb zurzeit kein Anlass, aufsichtsrechtlich zu intervenieren und selber baupolizeiliche Massnahmen zu verfügen. Der Regierungsrat des Kantons Bern und die Direktion für Inneres und Justiz haben vom Zwischenbericht des Regierungsstatthalters Kenntnis genommen und erachten eigene aufsichtsrechtliche Untersuchungen zur Umnutzung und zum Ausbau von Alphütten nicht für angezeigt.

(text:pd/bild:unsplash)