24 März 2021

Die Formel 1 startet in die neue Saison

Die Formel 1 tritt an Ort. Nach der Verschiebung der technischen Revolution um ein Jahr ist kein Platz für Unerwartetes. Lewis Hamiltons achter Titelgewinn wird gleichwohl nicht zum Selbstläufer.

Die Gegenwart in der Formel 1 ist eine andere als ursprünglich geplant. Die Corona-Pandemie hat auch der grössten Bühne im Automobilrennsport die (Spiel-)Pläne durchkreuzt und die Verantwortlichen zum Umdenken gezwungen. In der Chefetage haben Demut und Vernunft Einzug gehalten.

Das Drama vor zwölf Monaten rund um den schliesslich abgesagten Saisonauftakt in Australien hat seine Wirkung als mahnendes Beispiel für Verharmlosung und Ignoranz nicht verfehlt. Die einschneidendste Konsequenz daraus ist die um ein Jahr verschobene Installierung des grunderneuerten technischen Reglements.

In der Formel 1 lernten sie im vergangenen Jahr schnell. Die Zwangspause bis zum gelungenen zweiten Startversuch Anfang Juli in Österreich nutzten sie – und retteten, was noch zu retten war. Die Anpassung an die durch das Virus verursachten besonderen Umstände gelang bestens. Das Programm, das in einer ersten Version acht Rennen umfasst hatte, konnte schrittweise auf 17 Grands Prix hochgefahren werden. Eine Meisterleistung im Zirkus der Weitgereisten, selbst wenn sich die globale Serie auf Veranstaltungen im europäischen und im arabischen Raum beschränkte.

Die Erfahrungen sollen mithelfen, den Betrieb in diesem Jahr noch weiter hochzufahren, so hoch sogar wie noch nie. Der aktuelle Kalender umfasst die Rekordzahl von 23 Grands Prix und wieder Rennen mit weltweiter Streuung. Die bewährten Konzepte und Schutzmassnahmen sollen Garanten sein, dass der Wunsch nicht Vater des Gedankens bleibt. Die Sehnsucht nach angemessener Normalität ist auch in der Formel 1 gross.

Trotz den Einschränkungen und der Verschiebung des neuen Reglements fliesst in die Gegenwart etwas Zukunft ein. Die für die bevorstehende Saison geltende Budget-Obergrenze von 145 Millionen Dollar ist in der finanziellen Regulierung die erste Stufe, die in den kommenden zwei Jahren auf 140 und dann auf 135 Millionen gesenkt wird. Damit soll Gewähr geboten sein, die ausufernden Kosten auf ein erträgliches Mass zu reduzieren.

Mit dem Sparzwang handelten die Entscheidungsträger in der Formel 1 nach den drastisch eingebrochenen Einnahmen im vergangenen Jahr auch im eigenen Sinn. In der Erfolgsrechnung wurden Erträge von 1,145 Milliarden Dollar ausgewiesen, was einem Minus von 43 Prozent gleichkam. Entsprechend schrumpfte der an die Teams ausgeschüttete Betrag auf 700 Millionen Dollar.

Der erstmals in der Geschichte der Formel 1 reglementierte Grenzwert auf der Ausgabenseite stellt für die grossen Rennställe eine grosse Herausforderung dar. Der neue Passus bringt es mit sich, dass Mercedes, Ferrari und Red Bull ihre Budgets um deutlich mehr als die Hälfte und den Personalbestand entsprechend herunterfahren mussten.

Die Führungsriegen werden dazu angehalten sein, das geringere Geldvolumen gezielter einzusetzen, und werden wohl auch Kompromisse eingehen müssen. Das Abwägen zwischen der Anzahl Angestellten, die den reibungslosen Betriebsablauf garantiert, und den für die Weiterentwicklung der Autos benötigten Mitteln dürfte nicht ganz einfach sein.

Die fundamentale Massnahme im finanziellen Bereich, die dereinst auch für mehr Ausgewogenheit und Chancengleichheit in den Grands Prix sorgen soll, wird in dieser Saison an den Stärkeverhältnissen noch nichts ändern können. Der Wunsch, der ausgeprägten Mehrklassigkeit den Riegel zu schieben, kann im besten Fall erst im kommenden Jahr erfüllt werden. Die verschobene Einführung der neuen Auto-Generation und die Homologierung der im vergangenen Jahr eingesetzten Wagen hat den Spielraum für Veränderungen auf ein Minimum beschränkt. In der Hightech-Schmiede müssen die grossen Innovationen warten.

Die logische Konsequenz der geringfügig möglich gewesenen Modifikationen ist der neuerlich auf die Fahrer der Teams von Mercedes und Red Bull reduzierte Kampf um die zwei Titel. Werden die während der drei Testtage am vorletzten Wochenende in Sakhir in Bahrain als Massstab genommen, könnte das Duell der Giganten mehr Spannung versprechen.

Auf jeden Fall hat das neue Auto der Roten Bullen während der kurzen Vorbereitung im Königreich im Persischen Golf, wo am Sonntag auch der Saisonauftakt erfolgen wird, den besseren Eindruck hinterlassen als der aktuelle Mercedes. Die Folgerung daraus, Red Bull die Favoritenrolle zuzuschieben, lassen sie in der Equipe um Max Verstappen und dessen neuen Teamkollegen Sergio Perez nicht gelten. Trotz hoher Ziele üben sie sich in Zurückhaltung. Auch die nochmals verbesserte neue Version des Antriebsstrangs, die Partner Honda in der Saison vor seinem Ausstieg aus der Formel 1 zur Verfügung stellt, ändert daran nichts.

In der Hierarchie der Teams hinter dem Spitzenduo dürfte das Gerangel erneut gross sein. McLaren, Aston Martin, das zuletzt als Racing Point angetreten ist, Alpine, das vorher unter dem Namen des Stammhauses Renault firmiert hat, und wohl auch Ferrari dürften die zweite Gilde bilden. Die Roten sehen mit den Verbesserungen an Auto und Motor den ersten Schritt getan, um dereinst wieder Ergebnisse liefern zu können, die den eigenen Ansprüchen gerecht werden. Dazu wird der zweiten Equipe von Red Bull, AlphaTauri, zumindest eine Annäherung an die Mittelklasse zugetraut.

Erste Aufschlüsse wird das kommende Wochenende in Bahrain bringen. Bis dahin bleibt es bei vagen Annahmen für die Formel 1 der Gegenwart, in der eigentlich die Zukunft hätte beginnen sollen.

(text:sda/bild:archiv)