3 Februar 2021

Der lange Weg zum Frauenstimmrecht in der Schweiz

Erst 50 Jahre ist es her, seit Frauen in der Schweiz das Stimm- und Wahlrecht erhalten haben. Der Weg dahin war steinig und lang. Eine Chronologie:

1893 forderte der Schweizerische Arbeiterinnenverband das Frauenstimmrecht.

1904 forderte die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SPS) in ihrem neuen Parteiprogramm unter anderem das Frauenstimmrecht.

1909 Verschiedene Stimmrechtsvereine schliessen sich zum Schweizerischen Verband für Frauenstimmrecht (SVF) zusammen.

1912-21 wird das kantonale Frauenstimmrecht in St. Gallen, Genf, Neuenburg, Basel-Stadt, Genf, Zürich und Glarus abgelehnt. Bis 1971 wird 31 Mal in den Kantonen über das kantonale Frauenstimmrecht abgestimmt, 22 Mal überwiegt das Nein.

1918 Das Frauenstimmrecht gehört zu den Hauptforderungen der Gewerkschaften beim Generalstreik.

1920-1929 Gegnerinnen des Frauenstimmrechts aus dem Bürgertum formieren sich und werben: „Die Frau gehört ins Haus!“

1929 Eine Petition des SVF, verschiedener Frauenorganisationen, der SPS und der Gewerkschaften mit 249’237 Unterschriften (170’397 von Frauen und 78’840 von Männern) fordert das Frauenstimmrecht auf Bundesebene. Sie zeitigt keine sichtbaren Folgen. Obwohl die Männerstimmen für eine Volksinitiative reichen würden, wird auf deren Eingabe verzichtet.

1929-39 In wirtschaftlich schweren Zeiten werden Frauen an den Herd geschickt. Ungünstige Grosswetterlage für das Frauenstimmrecht.

1939-45 Frauen übernehmen Aufgaben der Männer, die im Aktivdienst sind.

1951 Ein Bericht des Bundesrates bezeichnet eine eidgenössische Vorlage für das Frauenstimmrecht angesichts der vielen ablehnenden kantonalen Volksabstimmungen als verfrüht.

1957 Der Bundesrat plant die Verstärkung des Zivilschutzes mittels eines Zivilschutzobligatoriums auch für Frauen. Ohne Rechte keine Pflichten, sagen die Frauenverbände! Um das Zivilschutzprojekt zu retten, legt der Bundesrat rasch einen Entwurf zur Einführung des Frauenstimmrechts vor.

1958 Die Gegner des Frauenstimmrechts stimmen der Vorlage im Parlament aus taktischen Überlegungen zu: Sie hoffen, dass ein negativer Volksentscheid das Ansinnen auf unabsehbare Zeit eliminiert.

1958 Zweite Ausstellung über Frauenarbeit (SAFFA) in Zürich (17.7.-15.9). Die Veranstalterinnen wollen im Vorfeld der Volksabstimmung bewusst leise auftreten und thematisieren die wertvolle Mitarbeit der Frauen in der Wirtschaft, nicht aber das Frauenstimmrecht. Iris von Rotens Kampfschrift „Frauen im Laufgitter: Offene Worte zur Stellung der Frau“ erregt aber ungeplant die Gemüter.

1959 Nur die Sozialdemokraten (SP), die Gewerkschaften, der Landesring der Unabhängigen (LdU) und die Partei der Arbeit (PdA) geben die Ja-Parole zum Frauenstimmrecht aus. Die Freisinnigen (FDP) und die Katholisch-Konservative Volkspartei (heute: CVP) beschliessen Stimmfreigabe, die Bauern- Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB, ab 1971 Schweizerische Volkspartei SVP), sowie der Gemeinnützige Frauenverein und die Landfrauen beschliessen die Nein-Parole.

1959 Am 1. Februar wird das Frauenstimmrecht in der eidgenössischen Volksabstimmung mit 67 Prozent Nein bei einer Stimmbeteiligung von 67 Prozent wuchtig versenkt, in den kleinen Kantonen der Zentral- und Ostschweiz (OW, NW, SZ, UR, AR, AI) liegt die Ablehnung über 80 Prozent, in Innerrhoden gar bei 95 Prozent. Waadt, Genf und Neuenburg stimmen dafür.

1959 Gründung des Bundes der Schweizerinnen gegen das Frauenstimmrecht.

1959 Waadt gewährt als erster Kanton den Frauen das Stimmrecht auf kantonaler Eben, im selben Jahr folgt Neuenburg, 1960 Genf.

1966 Annahme des Frauenstimmrechts in kantonalen und Gemeinde-Angelegenheiten im Kanton Basel-Stadt als erstem Deutschschweizer Kanton, 1968 folgt Basel-Land, 1969 Tessin, 1970 Zürich, Wallis und Luzern.

1962-1968 Der Bundesrat will 1962 dem Europarat beitreten und die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnen, unter Vorbehalt des Frauenstimmrechts. Die Frauenverbände protestieren. Der Bundesrat will die Lage mit einer Volksabstimmung sondieren. Diesmal halten sich die Gegner zurück: Man geht davon aus, dass das Frauenstimmrecht irgendwann sowieso kommt und will die künftige Hälfte des Stimmvolks nicht der SP überlassen.

1971 Am 7. Februar nehmen die Stimmbürger das eidgenössische Stimm- und Wahlrecht für Frauen mit 621’109 (66 Prozent) Ja zu 323’882 (34 Prozent) Nein bei einer Stimmbeteiligung von 58 Prozent deutlich an. 151⁄2 Kantone stimmen zu, 61⁄2 Kantone der Zentral- und Ostschweiz (UR, SZ, OW, GL, SG, TG, AR und AI) lehnen ab.

1971 Bei den Nationalratswahlen vom 31. Oktober werden zehn Frauen gewählt, eine weitere rückt für einen in den Ständerat gewählten Mann nach, der Frauenanteil beträgt 5,5 Prozent, Tendenz steigend. 2019 sind es 42 Prozent.

1989 genehmigt die Ausserrhodener Landsgemeinde das Frauenstimmrecht auf kantonaler Ebene.

1990 verwirft die Innerrhodener Landsgemeinde zum dritten Mal das kantonale Frauenstimmrecht. „Nur faule Weiber, die den ganzen Tag im Café herumsitzen und fünf vor zwölf eine Raviolibüchse öffnen, wollen das Stimmrecht“, sagen die Männer, und ausserdem hätten die Weiber ja gar keinen Säbel zum Abstimmen. Doch das Bundesgericht heisst zwei staatsrechtliche Beschwerden gut und zwingt den Halbkanton zu seinem Glück.