4 Februar 2022

Ammann: „Schon etwas erstaunt, dass ich immer noch hier stehe“

Simon Ammann tritt mit seinen siebten Olympischen Spielen in einen exklusiven Zirkel ein. Eigentlich möchte der Toggenburger noch nicht zurückblicken – für die Öffentlichkeit tut er es dann aber doch.

Noch ist Simon Ammann mit Leib und Seele Skispringer. „Ich lasse mir selber nicht so viel Platz für Wehmut“, hält der vierfache Olympiasieger noch vor seinem ersten Trainingssprung auf dem futuristischen Bakken von Zhangjiakou fest. „Ich habe hier Arbeit vor mir.“ Von einer Medaille träumt auch er selber nicht mehr. „Mein Ziel ist eine Saison-Bestleistung (bisher ein 13. Platz in Oberstdorf). “

Ammann ist mit 40 Jahren jedoch Medienprofi genug, um zu wissen, dass die Fragen nach der Vergangenheit bei einem wie ihm unausweichlich sind. „Es ging mir nie um diesen Rekord mit den sieben Olympia-Teilnahmen (Noriaki Kasai hat sogar acht), aber ich bin ja selber erstaunt, dass ich jetzt immer noch hier stehe“, sagt er lachend. Bei zwölf olympischen Einzelspringen gewann Ammann viermal, die restlichen acht Mal verpasste er die Top Ten. „Gott sei Dank, bin ich nie knapp am Podest vorbei gesprungen“, stellt der Ostschweizer fest. „Es ist einfacher, deutlich zu scheitern.“ Und so kommt er doch nicht darum herum, seine Olympia-Auftritte noch einmal Revue passieren zu lassen.

An sein Debüt 1998 in Nagano (39. von der Grossschanze, 35. von der kleinen) hat er sehr schöne Erinnerungen. „Es war unglaublich, mit 16 einfach so hineingeworfen zu werden. Es sind fast ein bisschen Erinnerungen an die Kindheit, und danach habe ich es immer geliebt, nach Japan zu gehen.“ 2007 wurde er in Sapporo auch Weltmeister.

2002 wurde Ammann in Salt Lake City ein erstes Mal Doppel-Olympiasieger. „Ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu reisen und einfach so zu performen“, staunt er auch 20 Jahre später noch. „Wir hatten grundsätzlich nie daran geglaubt, diese Liga der aussergewöhnlichen Skispringer knacken zu können.“ Man müsse sich nur das Video mit Sylvain Freiholz und Andreas Küttel vom Auslauf anschauen. „Das war einfach ergreifend.“ Ins Bild passte der stylische, silbergraue Mantel bei der Siegerehrung und die Harry-Potter-Brille, die Ammann sogar in Amerika zu einem kleinen Star mit Auftritten in den grossen TV-Talkshows machten.

2010 folgte mit den beiden weiteren Siegen der „Profimoment“, wie Amman es nennt. „Das war das Meisterstück, das jeder gute Athlet einmal in seiner Karriere abliefern will.“ Er denke nicht so oft zurück an diese Momente. „Jetzt natürlich ein bisschen mehr, und ich werde mich später, nach der Karriere, sicher gerne daran erinnern.“

Dazwischen und danach klappte die spezielle Beziehung zu Olympia nicht mehr. „War da was, oder“, fragt Ammann rhetorisch. 2006 in Turin (15./38.) war „ein harter Fight“. Er stürzte im Probedurchgang, danach „musste ich mich wehren, dass sie mich nicht festschnallen und gegen meinen Willen abschleppen.“

2014 in Sotschi (23./17.), der Heimat seiner russischen Ehefrau, startete Ammann nochmals mit grossen Ambitionen. Er habe viel versucht und sei Anfang Saison super gesprungen. „Da ist man dann schon irgendwie am Boden, da muss man immer ein bisschen aufpassen, dass man nicht strandet.“

Gestrandet ist Ammann aber nicht, auch vor vier Jahren in Pyeonchang (13./11.) war er dabei und sprang sehr ordentlich. In Erinnerung blieb vor allem das Bild von Ammann, der minutenlang und über Mitternacht hinaus in der eisigen südkoreanischen Kälte auf seinen Sprung warten musste – minimal geschützt durch eine Wolldecke. „Es war ein Kampf gegen die äusseren Umstände.“

Immerhin scheint der Schweizer Sportler der Jahre 2002 und 2010 nun zumindest klimatisch bestens gerüstet für die ebenfalls kalten Tage in China. Im Weltcup lief es zuletzt nicht mehr nach Wunsch. Ammann reagierte, indem er frühzeitig nach Zhangjiakou reiste, um die Batterien in Ruhe wieder aufzuladen.

Und was würde er in zwei Wochen gerne über seine siebten Olympischen Spiele erzählen? „Das ist so eine theoretische Frage, die ich nicht mag“, sagt er. Er wolle bis zu seinem letzten Sprung voll in seinem Sport aufgehen. „Dieser Fokus auf die wenigen Sekunden, die einem noch bleiben. Darum bin ich noch dabei.“

(text&bild:sda)